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30.11.2017

Numenera: Der Höhlenurwald von Dulm Rerr

Überall in der Salzwüste von Errid Kaloum erheben sich einsame Steinformationen, die mit Wasser und Pflanzenbewuchs Zuflucht inmitten der Ödnis versprechen. Einer dieser Felsen übt aber ein besonderer Anziehungskraft aus: Im Innern von Dulm Rerr wurde im einem vergangenen Zeitalter ein riesiger Höhlengarten angelegt, dessen Kreaturen und Numenera bis heute ihrem rätselhaften Tagwerk nachgehen.


Der Felsen von Dulm Rerr
Der Steinformation mit mehreren Hundert Meter Höhe ist in der flachen Salzwüste schon in Meilen Entfernung zu erkennen. Aus dem Fels der Spitze sind zwei Stelen gehauen, hinter denen sich eine durchsichtige Kuppel von mehreren Hundert Meter Durchmesser den Gipfel krönt. Darunter erahnt man bereits die wilde Vegetation, die sich in die Höhlen des Bergs frisst. Die Kuppel stellt für viele Abenteurer schon das erste Hindernis bei der Erkundung dar: Mal ist sie durchlässig wie eine Seifenblase, zu anderen Zeiten hart wie Stahl. Obwohl es zahlreiche Theorien gibt, nach welchem Muster die Kuppel Zugang gewährt, hat noch niemand ein eindeutiges Schema entdecken können. Einige Glücksjäger haben deshalb ihre eigenen Zugänge in den Stein gegraben, halten ihre genaue Lage aber tunlichst geheim.
Einstmals führte zwischen den Stelen eine breite, inzwischen völlig verwitterte Treppe hinab. Stattdessen stehen nun mehrere ausgetretene schmale Pfade zur Verfügung, die in den vergangenen Jahrhunderten behelfsmäßig angelegt wurden. Hin und wieder finden sich in schwindelerregender Höhe kleine Hütten und ähnliche Behausungen, in denen Abenteurer für längere Zeit ihr Lager aufgeschlagen haben, um so den regelmäßigen Auf- und Abstieg zu verkürzen. Fremden gegenüber sind sie misstrauisch und gewähren nur in seltenen Fällen Einlass.




Die Siedlung
Auf Bodenhöhe jedoch hat sich schon vor Jahrhunderten eine große Siedlung gebildet, die sich an die Klippen des Felsens schmiegt. In den höchsten Ebenen der Stadt finden sich imposante Kuppel- und Prachtbauten, einige direkt aus dem Fels gehauen, andere durch Artefakttechnologie frei schwebend und durch schmale Hängebrücken mit den anderen Gebäuden und Straßen verbunden. Weiter unten schließen sich einfache Atrien und Hütten an, auf Ebene der eigentlichen Salzwüste erstreckt sich eine ausufernde Zeltstadt, in der das Ganggewirr immer wieder unterbrochen wird von großzügigen und geschäftigen Marktplätzen. Schließlich ist die Siedlung Dulm Rerr ein fester Anlaufpunkt von Karawanen über die Salzwüste, so dass der Handel mit normalen Gütern, aber auch Cyphers und Artefakten blüht.
Thormen Vissnon ist einer der Bewohner, der auf diesem Wege zu Macht und Einfluss gekommen ist. Er ist in seinem feudalen Domizil am oberen Ende der Siedlung der beste Ansprechpartner für Abenteurer und Plünderer, die ihre hart erbeuteten Funde in versetzen wollen. Der kleinwüchsige Vissnon hält zwar nach Außen die Fassade eines technikinteressierten Historikers aufrecht, im Wahrheit jedoch nutzt er seinen Fundus an mächtigen Artefakten, um die Siedlung gefügig zu halten und nach seinem Willen zu steuern. Auch wenn dies ein offenes Geheimnis ist, wagt kaum jemand Thormen Vissnon öffentlich zu kritisieren oder wegen seiner Geschäftspraktiken anzuschwärzen – zu viele sind kurz nach solchen kecken Äußerungen verschwunden.
Auf mittlerer Ebene erhebt sich ein nüchterner Kuppelbau, dessen Innenleben umso interessanter ist. Der schlaksige Davut Fallansturen sammelt hier Proben der Flora und Fauna aus dem Höhlenurwald, der in diversen Käfigen, Gewächshäusern oder offenen Beeten gehalten wird. Immer wieder einmal entkommt Fallansturen eine Probe und sorgt für großen Tumult in der Siedlung – vor allem wenn ihm ein Zersetzer (s. u.) entwischt.
In der Zeltstadt floriert der Schwarzhandel, hier hält die ehemalige Karawenenführerin Sarta Rosblom die Fäden in der Hand. Sie unterhält ein weitreichendes Netz von Informanten und Unterhändlern, und Kunde von interessanten Waren wird ihr sofort zugetragen. Auch spielt sie mehrere kleine Schlägergangs gegeneinander aus, die jenseits der oberen Ebenen den Zugang zu den schmalen Bergpfaden zur Kuppel kontrollieren und Rosblom den dafür kassierten Zoll an sie weiterleiten. Immer wieder einmal ordnet sie aber auch einen direkten Überfall von Abenteurern an, die besonders lohnende Ausbeute nach Erkundung der Höhlen versprechen.


Die Flora und Fauna in Dulm Rerr
Generell merkt ein Besucher schnell, dass es sich bei der Vegetation nicht um reguläre Fauna handeln kann. Am augenfälligsten ist dies bei dem dichten Geflecht aus Ranken und feingliedrigen Ablegern, die eine fast metallische Härte besitzen. Ein umfassendes Netzwerk umgibt so die gesamte Höhlenwand bis in die Tiefe. Die Ranken geben ein flackerndes, bioluminiszierendes Licht ab, das durch die Ranken zu wandern scheint. Sie reagieren auf Berührung, einige Forscher berichten auch, dabei ein leichtes Kribbeln verspürt oder Summen vernommen zu haben. Einige Theorien behaupten, es handele sich um eine Art Code für ein Datennetz, entschlüsseln konnte es bisher aber niemand.
Auch die Blütenvielfalt in Dulm Rerr zeigt zahlreiche Besonderheiten auf. So gibt es etliche Weidengewächse mit ausladenden Wurzeln, die tief ins Höhleninnere führen, die kastanienartige Früchte tragen. Deren Inhalt hat allerdings ist oft mineralischer oder kristalliner Art, als ob die Pflanzen Vorkommen aus dem Höhleninneren fördern.
Immer wieder sprießen an den hölzernen Ranken aufgeblähte Knollen, die nach vollendeter Reifung aufplatzen und sporenartige Metallfragmente versprühen. Nur selten handelt es sich dabei um organische Samen, sondern beispielsweise um winzige drohnenartige Flugkreaturen, kristallene Splitter, die sich in organische Materie fressen, oder nanometerdünne Fäden, die sich an lebenden Kreaturen festhaften und dann wie künstliche Fühler ihre Umgebung analysieren – zu welchem Zweck auch immer.
Andere Arten ähneln auf den ersten Blick fleischfressenden Pflanzen mit weiträumigen Kelchen oder Fangblättern, die wegen ihrer Größe auch für Forscher gefährlich werden können. Kreaturen, die von diesen Appendixen eingefangen werden, werden allerdings nicht verdaut, sondern in Kreaturen umgewandelt, die dem Ökosystem von Dulm Rerr angepasst sind.
Die gefürchtetsten dieser Geschöpfe sind die sogenannten Zersetzer, die entweder als mehrere Meter lange Würmer oder Tausendfüssler erscheinen. Auch auf ihrem metallharten Panzer finden sich die wandernden bioluminiszenten Muster. Drüsen am Kopf sondern eine zersetzende Flüssigkeit ab, die organische Materie innerhalb von wenigen Minuten in Nährboden verwandelt. Normalerweise erneuern Zersetzer auf diese Weise tote Pflanzen- und Tierreste des Ökosystems von Dulm Rerr, aber auch aufgespürte Eindringlinge werden hartnäckig verfolgt.
Andere Kreaturen, die mit ihren schmalen Körpern und langen Flügeln metergroßen Libellen ähneln, scheinen die regelmäßige Befruchtung der Fauna vorzunehmen. Auch diese Geschöpfe sind für Eindringlinge gefährlich, denn auch werden als Nahrungsquelle gesehen, denen man Flüssigkeiten absaugen kann.


Die Kuppel
Hat man sich Zugang ins Innere der oberen Kuppel verschafft, so erblickt man mehrere Ebenen, die sich in Ringen an die Felswand schmiegen und den Blick in den bodenlose erscheinenden Höhlenschacht darunter freigeben. Vegetation aus der Tiefe hat sich über die Jahrtausende nach oben vorgearbeitet und die Plattformen und Wände komplett überwuchert, so dass der alte Sinn dieser Ebenen nicht mehr erkennbar ist. Überall stehen noch massige Artefakte herum, die inzwischen mit der Fauna eine Symbiose eingegangen zu sein scheinen. Versuche, diese Maschinen von der Vegetation loszuschneiden, endeten jedenfalls stets mit deren Totalausfall.
In den Ringen hat sich inmitten der wuchernden Pflanzen ein kleiner Kult von etwa zwei Dutzend Personen eingenistet, der sich selbst als Die Bestatter bezeichnet. Diese werden immer wieder von Familien aufgesucht, die ihre verstorbenen Angehörigen den beschwerlichen Weg zur Kuppel bringen. Die Kultisten nehmen die Körper an und vollziehen dann ein Bestattungsritual, bei dem der Leichnam von den Zersetzern wieder in fruchtbaren Humus verwandelt wird. Immer wieder kommt es aber auch vor, dass ein Zersetzer dabei auch einen Kultisten erwischt. Dennoch erhalten die Bestatter immer wieder neuen Nachwuchs aus der Siedlung, dass ihre Zahl nie wirklich gesunken ist. Angeführt wird der Kult derzeit von dem greisen Kalas Mursin, der schon lange mit seinem Leben abgeschlossen hat und auf den Tag wartet, selbst von den Zersetzern bestattet zu werden.


Die oberen Höhlen
Unterhalb der Ringe befindet sich ein glatter, fast kreisrunder Schacht von etwa zweihundert Metern Durchmesser. Die Felswand ist durch und durch von den oben beschriebenen Ranken und Pflanzen bewachsen, in denen es von Kreaturen nur so wimmelt. Der Abstieg erfordert einiges an Geschick, während man sich der aggressiven Fauna erwehren muss. Erst nach etwa anderthalb Kilometer Abstieg weitet sich der Schacht, auch der Bewuchs beginnt sich zu verändern. Die Ranken werden in dieser Tiefe auch merklich dicker und stämmiger und bieten einfacheren Halt.
Einige Forscher berichten, dass sie beim Abstieg Areale durchkletterten, in denen die bioluminiszenten Stauden sehr empfindlich und mit intensiver Lichtbildung auf die Berührungen während der Kletterpartie reagierten. Dies zog kurz darauf im Übermaß neugierige Kreaturen an, so dass der Abstieg beendet werden musste.


Die unteren Höhlen
Ab anderthalb Kilometer Tiefe gehen von dem senkrechten Hauptschacht immer wieder große Höhlen ab. Diese sind nicht natürlichen Ursprungs, sondern in ihrer perfekten Rundung und Glätte offensichtlich künstlich gegraben. Die dicken Knoten der leuchtenden Ranken bohren sich in die Tunnel und sorgen für schweres Vorankommen, immer wieder finden sich aber größere, überwucherte Kavernen, in denen auch symbiotische Maschinen ähnlich denen auf der obersten Kuppelebene zu finden sind.
Immer wieder versuchen Abenteurer, hier ein permanentes Lager aufzuschlagen. Von vielen hört man aber nie wieder, denn die wuchernde Fauna scheint diese als Fremdkörper rasch zu beseitigen.


Die Untiefen
Um unteren Ende des Schachts befindet sich ein weitläufiger See, den man noch nicht in seiner ganzen Tiefe erforscht hat. Seltsamerweise setzen sich die bioluminiszenten Ranken nicht unter der Wasseroberfläche fort, stattdessen findet sich hier ein Sammelsurium an Korallen und Schwämmen. Gerade die Schwämme erwecken den Anschein als würden sie beständig pulsieren und Stoffe aus dem Wasser filtern, die dann in Knollen abgelagert werden. Bei Tauchgängen zum Ernten dieser Knollen sind aber immer wieder Abenteurer von großen Exemplaren der Schwämme verschluckt worden und blieben verschwunden.


Fundstücke: Cyphern
Dulm Rerr ist eine Quelle zahlreicher Numenera. Die symbiotischen Maschinen produzieren immer wieder seltsame Gegenstände, allerdings sind diese im oberen Bereich der Höhlen auch am leichtesten zugänglich und werden oft schnell von Abenteurern eingesammelt. In den tieferen Höhlen lassen sich vor allem organische Cyphern finden, die oft bizarre und einzigartige Fähigkeiten haben. Hier einige Beispiele:
  • Eine handgroße Knolle, die bei einem harten Aufschlag in Kristallsporen explodiert
  • Ein ellenlanger verdrehter Stab mit einer pulsierenden Knospe. Wird diese gedrückt, sondert sie einen Strahl zersetzender Flüssigkeit ab.
  • Rötliche Blätter, die auf Wunden aufgelegt werden können und dieses mit einem dünnen Rankengeflecht schließen.
  • Wurzelfragmente, die bei kurzem Bodenkontakt sofort in den Untergrund wachsen und sicheren Stand oder Halt gewährleisten. Dennoch können Sie mit nur wenig Kraft wieder herausgezogen werden.
  • Borkenreste, die auf eine Rüstung gelegt werden können und diese in den kommenden Wochen komplett mit einer metallartigen überwachsen.
  • Ein getrockneter Seestern mit metallischen Überzug aus der überfluteten Untiefe, der als Projektil geworfen werden kann und dabei von allein sein Ziel anfliegt.
  • Eine armlange Seegurke, die unbedingt in einem Behälter mit Süßwasser gehalten werden muss. Sie verstärkt Funkwellen in bestimmten Frequenzbereichen und macht diese hörbar.


Eine Randnotiz
Der Name des Orts Dulm Rerr besteht einfach nur aus zwei Autokennzeichen, die mir auf dem Weg zur Arbeit begegnet sind, während ich im Kopf Ideen zu diesem Karnevalsbeitrag wälzte.


Dieser Artikel ist ein Beitrag zum Karneval der Rollenspielblogs im November 2017 mit dem Thema "Stadt, Land, Dungeon". Die Moderation liegt beim Gelben Zeichen und Zornhau, alle Beiträge des Monats werden zudem in diesem Thread des Forums der Rollenspielblogs aufgelistet.


Bildquellen
Zusammenstellung diverser Bilder von Travelhouse.ch, Wikimedia Commons und Berkeley.edu.

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