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31.08.2025

Ein August voller Geschichte, Teil 3: Menschliches

 Weiter geht es mit der jährlichen Alternativ-Aktion zum RPG-a-Day zum Thema "Geschichte". Mein dritter und letzter Themenblock wirft einen Blick auf bemerkenswerte Taten einzelner Menschen und Gruppen sowie Naturereignisse und deren Auswirkungen.


Wie in den vergangenen Jahren ich nicht der einzige, der sich der Alternativ-Aktion widmet, umfangreiche Beiträge finden sich auch beim urprünglichen Initiator dieser Aktion d6ideas, beim Kritischen Fehlschlag und in der Ogerhöhle.


21 Die Leichensynode
Im Jahr 897 ließ Papst Stefan VI für einen politischen Schauprozess seinen Vorgänger Formosus exhumieren, in päpstliche Gewänder kleiden und verurteilen.

Quelle: Wikipedia

Umsetzung in generischer Fantasy oder Mystey - Geistliche können Verstorbene verurteilen, wenn deren sterbliche Überreste für ein solches Tribunal vorhanden sind, und den Toten so das Nachleben verschlechtern. Während Bevölkerungsschichten, die sich für besondern fromm halten, großen Wert auf eine aufwändige Präparierung eines Verstorbenen legen (dem man ja den eigenen Überzeugungen nach nie ein Fehl wird nachweisen können), gibt es andere Gruppen, die Wert darauf legen, einen Leichnam möglichst schnell zu vernichten. Beide Vorgehen haben eine blühende, mehr oder weniger offizielle Industrie hervorgebracht. Dass mit den nachträglichen Verurteilungen und die Erscheinung von rastlosen Geistern zunimmt, nimmt der Klerus in Kauf.



22 Die Wolkenmenschen von Peru
Das Andenvolk der Chachapoya mumifizierte seine Toten aufwändig und bestattete sie, für alle weithin sichtbar, in hochgelegenen Felsnischen. Dabei errichtete man ihnen entweder menschenähnliche Sarkophage, aber auch kleine Behausungen. Archäologen vermuten, dass die Chachapoya die so mehr oder weniger zugänglichen Leichname aufsuchten, um mit ihnen Gespräche zu führen und sich Ratschläge geben zu lassen.

Quelle: Wikipedia / YouTube Arte

Umsetzung in generischer Fantasy: Die Toten werden sorgfälig mumifiziert und magisch präpariert, so dass sie also bewegungslose Untote für die Lebenden zugänglichh bleiben. Jede Bevölkerungsschicht entwickelt so seine eigene Art von Orakel, das man aufsuchen und in Gespräche verwickeln kann. Der Zahn der Zeit macht aber auch vor den so präparierten Mumien nicht halt, insbesondere häufig aufgesuchte Ahnen verfallen auffällig schnell.



23 + 24 + 25 Der Aton-Kult
Um 1350 v. Chr führte Pharao Echnaton den Aton-Kult um den alleinigen Sonnengott ein und verwandelt sowohl die altägyptische Religion als auch die Kunst um. Nach seinem Tod beginnt schon rasch der Niedergang des Kults, den seine Nachfolger auf dem Thron zugunsten des alten Pantheons vernachlässigen.

Quelle: Wikipedia / Wikipedia

Vorgedanken: Spannend ist der Umbruch durch den Aton-Kult nicht deshalb, weil hier eine völlig neue Religion eingeführt wurde, sondern weil innerhalb eines etablierten Pantheons die Bedeutung und Funktion genau einer Gottheit über alle anderen erhoben wurde. Zudem übernahm Aton die Funktion zahlreicher anderer, kleinerer Gottheiten; außerdem brachte der Kult einen deutlichen Bruch in der altägyptischen Kunst hervor, bei der Relikte der alten Anbetung getilgt wurden.

Variante 1 - Umsetzung in Das Schwarze Auge: Aventurien mit seinen Zwölfgöttern kennt bereits das Phänomen, dass bestimmte Gottheiten in einzelnen Regionen eine größere Bedeutung haben - am bekanntesten in Al'Anfa mit seinem Boron-Kult. Interessant wäre allerdings, wenn das mächtige Mittelreich unter einem Kaiser den Sonnengott Praios - naheliegend, wenn man die Umwälzungen durch Aton nachempfinden wollte - in seiner Funktion als Götterfürst über seine elf Geschwister erhebt und deren Präsenz im ganzen Mittelreich zu tilgen versuchte. Neben einem Exodus der Geweihten der nun nachrangigen Gottheiten in benachbarte Reiche könnte damit auch ein radikaler Wechsel in Heraldik und Kunst einhergehen.
Da DSAler dafür berüchtigt sind, lieber sklavisch der aventurischen Geschichtsschreibung durch die Redaktion zu folgen, als sich die Welt zu eigen zu machen, mag man sich vielleicht meine alternative Historie anschauen und sich darin hemmungslos gehen lassen.

Variante 2 - Umsetzung in Warhammer 40K: Der Kult um den Imperator der Menschen ist bereits berüchtigt für seine Intoleranz gegenüber anderen Glaubensrichtungen, was bei der Bedrohung durch die Chaosgötter auch nicht völlig unberechtigt ist. In Form der Primarchen kennt 40K aber übermächtige Wesenheiten, die in ihren Fähigkeiten gottgleich sind und von denen ein Sektor einen in ihrer Anbetung über die anderen Primarchen erheben könnte. Da ich in der ausufernden Historie dieses Universums, in dem einige Primarchen offiziell tot, einige Dämonenprinzen und andere noch aktiv im Einsatz sind, nicht hinreichend bewandert bin, mag ich keinen konkreten Hinweis geben, welcher Primarch sich dafür eignen würde. Da ein solcher Kult wahrscheinlich aber eingestehen müsste, dass der Imperator trotz der Maschinerie des Goldenen Throns nicht mehr wirklich am Leben ist - warum sonst sollte ein vom Imperator geschaffener Primarch dessen religiöse Position ersetzen? - wäre es nur eine Frage der Zeit, bis diese Häresie rücksichtslos getilgt wird.

Variante 3 - Umsetzung in Earthdawn: Auch wenn man in Barsaive nicht von einem rigiden Götterpantheon sprechen kann, so personifizieren die Passionen doch Aspekte des Alltags und Zusammenlebens. Gerade Garlen, Passion von Heim und Herd, sollte in der Langen Nacht der versiegelten Kaers an vielen Orten eine übergeordnete Bedeutung erhalten haben. Auf diesem Wege könnte sie mit der Zeit auch andere Werte verkörpern, die auf den ersten Blick nichts mit ihr zu tun haben: Heim und Familie als alltäglicher Kampf, sowohl um inneren Zusammenhalt als auch gegen Außenstehende. Heim und Familie als etwas, das jeden Tag aufs Neue errichtet, erbaut werden muss. Heim und Familie als ein Hort der Ordnung und Hierarchie. Sehr interessant wäre dann, wenn ein solches Kaer endlich geöffnet würde und einen Kulturschock durch die Präsenz anderer Passionen erleben würde.



26 + 27 + 28 Das Carrington-Ereignis

Vom 28.08. bis zum 04.09. 1859 fanden mehrere starke Sonneneruptionen statt, die den bisher größten gemessenen Magnetsturm auf der Erde auslösten. Polarlichter waren selbst in Rom, Hawaii und Havanna zu sehen. Telegrafenleitungen wurden lahmgelegt und durch den Funkenschlag der hohen Spannungen fingen die Papierstreifen in den Empfangsgeräten Feuer. Techniker erhielten Elektroschocks, und mitunter arbeiteten Systeme ohne Stromversorgung weiter.

Quelle: Wikipedia

Variante 1 - Umsetzung in Cthulhu by Gaslight: War es wirklich nur ein Sonnensturm? Presse und Wissenschaft, insbesondere in der Aufbruchsstimmung und Technikgläubigkeit der 1890er des CbG-Settings, würden fest an ein natürliches Phänomen glauben; während die Investigatoren mit ihren Erkenntnissen über das Eingreifen Alter Gottheiten gegen metaphorische Windmühlen ankämpfen.

Variante 2 - Umsetzung in Space 1889: Bleiben wir in einem - wenngleich alternativen - viktorianischen Zeitalter. Ein Sonnensturm würde in diesem Setting nicht nur die Erde treffen, sondern auch die anderen inneren Planeten und wahrscheinlich zu Chaos in der interplanetaren Raumfahrt führen. Vielleicht werden einige Schiffe auf diesem Wege sogar so sehr mit Energie überversorgt, dass erstmals die Reise zu einem der äußeren Planeten möglich wird - ob allerdings auch eine Rückreise möglich ist, stünde auf einem anderen Blatt.

Variante 3 - Umsetzung in Shadowrun: Die 6. Welt kennt ja bereits divese Technik-Crashs, unter anderem ging gleich zwei Mal die Matrix unter. Ein Sonnensturm vom Ausmaß des Carrington-Ereignisses könnte nicht nur Datentechnik lahmlegen, gleichzeitig dürfte Cyberware verrückt spielen und könnte sich selbstständig machen. Auch die Auswirkungen auf KIs und ihr digital gespeichertes Gedächtnis wäre nicht zu unterschätzen.


29 + 30 + 31 Die Asilomar-Konferenz
Im Februar 1975 kamen renomierte Biologen zusammen, um die Gefahren der neuen technischen Möglichkeiten von artifiziellen DNA-Molekülen zu diskutieren. Am Ende der Konferenz legte man sich selbst den Verzicht auf bestimmte Forschungen in der Biotechnik und Genetik auf. Die Konferenz ist deswegen bemerkenswert, weil hier bis heute eingehaltene Auflagen bereits entwickelt wurden, ohne dass es zuvorzu einem ersten Gefahrenfall und nötiger Schadensbegrenzung gekommen war.

Quelle: Wikipedia

Variante 1 - Umsetzung in generischer Fantasy: Die Wege der Magie sind unergründlich, und je nach Setting kann es sein, dass Sprüche für Zeitreisen (auch in der Science Fiction oft streng kontrolliert) oder Reisen in alternative Realitäten und Sphären erst unlängst entdeckt wurden. Da in der klassischen Fantasy Magierkollegien oft ihr eigenes Süppchen kochehn und ob ihrer arkanen Mächte nicht unbedingt auf irdische Gewalten hören müssen, wäre hier um so interessanter, welche Kräfte selbst Schwarzmagiern eine solche Angst einjagen, dass sie sie nicht zum persönlichen Nutzen missbrauchen wollen.

Variante 2 - Umsetzung in Shadowrun: Ohne konkrete Ideen für eine neue Technologie in den Raum werfen zu können, wäre die Idee spannend, was sich als derart gefährlich erweisen könnte, dass die übermächtigen Großkonzerne freiwillig darauf verzichten. Vielleicht aber üben auch die Großen Drachen mehr oder weniger subtilen Druck aus, um eine solche Entscheidung zu forcieren.

Variante 3 - Umsetzung in Star Trek: Beschränken wir uns hier auf die älteren Serien bis 2005, als sich die Handlung noch um gestandene Offiziere drehte, die professionell das Problem der Woche lösen; und nicht Selbstzweifel und persönliches Drama im Vordergrund standen. Entdeckung und Verzicht auf spezielle Technologien standen sogar des öfteren im Fokus, nehmen wir nur die Erklärung der Föderation, keine Tarntechnologie zu entwickeln. Nun könnte ein Schiff - typischerweise der Föderation - auf seiner Entdeckungsreise eine untergegangene Zivilisation entdeckt haben, die auf einem beliebigen Gebiet (Robotik oder Genetik wurden da in Trek schon ausgiebig abgegrast) außerordentliches geschaffen hat, das sich schnell als zu gefährlich für eine Anwendung erweist. Die Föderation mit ihrem erhobenen moralischen Zeigefinger wäre sicher zu einem Verzicht bereit, interessanter wären aber etwa die Reaktion des Klingonischen oder des Romulanischen Imperiums.


32 (Bonus) Was von dieser Recherche übrig blieb
Beim Stöbern habe ich noch einige andere interessante Ereignisse gefunden, zu denen ich aber leider keine weiteren Quellen auftreiben konnte. Deswegen sei hier nur auf die kurzen Zusammenfassungen hingewiesen, die bei mir in die engere Auswahl für die diesjährige August-Aktion gekommen sind:

"Kentucky's Underground Sloth Hunt" und "London’s Time-Ball Wars", beide über Go2Tutors


Bildquellen:
Jean-Paul Lauren: "Papst Formosus und Papst Stephan IV. - Die Kadaversynode" von Wikimedia Commons
Sarkophage von Karajía von Wikimedia Commons
Tempelrelief von Wikimedia Commons

1 Kommentar:

  1. 23-25/3: Für so eine Passionsexpansion würde es in meinen Augen auch eine entsprechend geänderte Leidenschaftswelt der Bewohner (oder - Echnaton gleich - zumindest eines herausgehobenen Bewohners, oder Gruppe solcher) bedürfen. In der jahrhundertelangen Extremsituation der Kaers vorstellbar. Aber tatsächlich die spannende Grundfrage wäre für mich dann die nach der veränderten Gefühls- (und weniger Gedanken-)welt.

    26-28/3: Mein erster Gedanke zielt da auf Astrales - ich bekenne mich ja dazu, hier die alten Ansätze zu bevorzugen, in denen der Astralraum eine Grenze in der Gaia- und damit den höheren Schichten der Atmosphäre findet. Was ist das astrale Äquivalent zu den Polarlichtern? Zum Ansturm auf die Magnetosphäre?

    Bonus/ Nachtrage:

    23-25/2: Was einige Hobbyisten aus dem "War of the False Primarch" machen, könnte da inspirierend sein. Siehe zum Beispiel: https://warofthefalseprimarch.blogspot.com/

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