Der Mai ist nun seit einer Weile vorüber, genauso wie der Karneval der Rollenspielblogs zum Thema „Systeme der Magie“. Höchste Zeit also, die einzelnen Beiträge noch einmal Revue passieren zu lassen und genauer anzusehen.
Ein sperriges Thema
Hatte ich in den letzten Jahren für die von mir moderierten Karnevale bewusst Schlagworte ausgesucht, die in ihrer Einfachheit zu möglichst viel Spielmaterial inspirieren sollten, stand mir dieses Mal der Sinn nach etwas abstrakterem. Grund dafür mag auch gewesen sein, dass mich dieses Thema auch bei meinen eigenen Projekten schon seit geraumer Zeit antreibt und ich a) dadurch einige Ideen endlich einmal zu (digitalem) Papier bringen und natürlich b) die Sichtweise von anderen in Erfahrung bringen konnte.
So folgte also der Aufruf zu Systemen der Magie. Im Rollenspiel ein altbekanntes Thema, schließlich bekommt sind gerade der Zauberei in den meisten Grundregelwerken oft mehrere Kapitel gewidmet. Genau diesen trockenen, nur regelbasierten Ansatz fand ich aber als Karnevalsthema zu einseitig – schließlich ist Magie ja auch in den fantastischen Welten des Rollenspiels ein Mysterium, das einen wichtigen Teil des Hintergrunds und des Weltenbaus ausmacht.
Magie innerhalb der Welt
Und der erste Artikel, der Magie nur von ihrer Verflechtung mit der Welt her betrachtet, hat es auch direkt in sich: Shugyoku beschreibt die Zauberei der Mahoshi in ihrem asiatisch angehauchten eigenen System Inyo, die sich vor allem aus Traditionen und den Assoziationen speist, die eine Kultur damit verbindet. Die Vollendung und Meisterschaft in diesen Traditionen, bei der ein Mahoshi fest mit seiner Schule verschmilzt – so etwa indem ein Noh-Magier sein Gesicht gegen eine Maske tauscht – finde ich besonders gelungen.
Clawdeen hat einen Gastbeitrag von 1of3 veröffentlicht, der die inneren Konsistenz von Magiesystemen näher betrachtet und diese an einigen Beispielen erläutert. Das ganze schließt in dem interessanten Ansatz, gerade die Grenzen von Magie und Magieschulen erst innerhalb des eigentlichen Spielgeschehens am Tisch zu definieren. Die Grundlage dieses Artikels über Brandon Sandersons Drei Gesetze der Magie ist neben 1of3s Gastbeitrag ebenfalls eine sehr empfehlenswerte Lektüre.
Ich selbst beschreibe auf Spiele im Kopf die Magie der Seelensteine, einen Ausschnitt aus einem größeren Weltenkonzept, der die Asche der Verstorbenen zu magischen Edelsteinen presst, deren Fähigkeiten dann von der Persönlichkeit des Verblichenen geprägt sind.
Zuletzt hat sich die Katzenhexe ihrem sehr persönlichen Spielgefühl von vier verschiedenen Rollenspielen gewidmet. Dieser Artikel passt sehr gut zu den Betrachtungen von 1of3 bei Clawdeen, denn auch hier zeigt sich, dass eben die Einschränkungen und Freiheiten von Zauberei, die entweder der Spielwelt oder den dazugehörigen Regeln innewohnen, einen gehörigen Anteil zur Atmosphäre eines Rollenspiels beitragen.
Magie innerhalb des Spiels
Da Rollenspiel aber auch immer Spiel und somit auch Regeln bedeutet, haben sich auch rund zwei Drittel der Beiträge dieses Karnevals der Regelseite von Magie gewidmet. Angenehm überrascht es mich, dass auch diverse exotischere Systeme darin ihren Platz finden.
So widmete sich der allererste Artikel des Maikarnevals auf Chaotisch Neutral den Magieregeln des Horror-Rollenspiels Fhtagn, das kostenlos auf einer eigenen Webseite zur Verfügung gestellt wird. Diese bringen den Grusel von Lovecrafts Erzählungen angenehm kompakt auf den Punkt: Der menschliche Geist ist für dieses verbotene Wissen nicht gemacht, und es zu erwerben bringt den Zauberer unweigerlich um den Verstand. Etwas verwundert hat mich bei der Lektüre (der Gesamtregeln, weniger des Artikels) nur, warum nicht auch ein paar konkrete Beispiele angegeben sind, wo doch andere Regelelemente sehr stark ins Detail gehen.
Auch für ERPS, das in seiner Ursprungsfassung inzwischen mehr als fünfundzwanzig Jahre auf dem Buckel hat, geht der Designer detailliert auf dessen Magieregeln ein. Dieses versucht einen interessanten Spagat: Auf der einen Seite offen und für jede Spielfigur zugänglich, auf konkrete Zaubersprüche wird verzichtet. Selbst ein waffenstarrender Barbar vermag Zauber zu wirken, die beispielsweise seine Rüstung oder seine Schlagkraft verbessen – wenn er sich überhaupt die Zeit nehmen konnte, die arkanen Künste zu studieren. Auf der anderen Seite ergeht sich das System aber auch in ausgiebigen Details und unterteilt sich in rund anderthalb Dutzend Schulen von Magie wie Bewegung, Elementare, Hypnose oder Telepathie. Dennoch finde ich den Ansatz lobenswert, Zauberei von den rigorosen Klassenbeschränkungen zu trennen und jeder Figur freizustellen, wie sehr diese sich mit Magie beschäftigen möchte.
Dnalor lässt sich ausgiebig über aus, warum für das DSA-Fanprojekt zum Riesland Rakshazar ein Magiesystem letztlich zu einem unmöglichen Unterfangen wurde. Viele Faktoren kamen da zusammen: Zuerst versteht sich der wilde Kontinent als Sword-and-Sorcery-Setting im Stile von Conan dem Barbaren, bei dem Magie selten, unheimlich und gefährlich ist. Zudem stellten die Autoren dann auch noch eine Vielzahl von Kulturen mit eigenen Magietraditionen zusammen, die dann mit dem Versionswechsel auf DSA5 eine saubere Regelimplementierung endgültig auf Eis legte.
Dnalor belässt es aber nicht beim Lamento, sondern macht sich in seinem Folgeartikel daran, genau diese Lücke zumindest teilweise zu schließen. So werden die unterschiedlichen Magietraditionen Rakshazars darauf untersucht, ob diese als Pfadmagierinnen verregelt werden können und schließlich in einer ausführlichen Excel-Datei zusammenfasst.
Mich als alten DSA1-Veteranen interessiert dabei eher der Weltenbau, der in die Schaffung Rakshazars geflossen ist, denn die überbordende Regelimplementierung. Und ich kann nicht umhin festzustellen, dass die für die Kultur der Xhul beschriebene Traumzeit doch eine überaus große Ähnlichkeit zum Astralraum von Shadowrun und Earthdawn hat – ein Element, das DSA in dieser Form natürlich nicht kennt.
Bleiben wir bei Dnalor und DSA. Schließlich gibt es noch inzwischen noch einen anderen Ableger zu Deutschlands Platzhirschen, der die Hafenstadt Havena aus einer ganz anderen Perspektive betrachtet: Die Schwarze Katze. In seiner Rezension geht er passend zum Karneval der Magiesysteme insbesondere auf die Magieregeln und den lobend hervorgehobenen Geisterbaukasten ein. Nachdem ich selbst das Crowdfunding zu DSK ausgelassen habe, bin ich nun doch wieder neugierig auf diesen Spin-Off geworden.
Und da alle guten Dinge Vier sind, macht Dnalor in seinem letzten Beitrag zum Magiesystemkarneval noch einen Ausflug zum reduzierten Murmelrollenspiel Beutelschneider von d6ideas, zu dem er schon in der Vergangenheit diverse Varianten und Zusatzregeln beigetragen hat. Dies ist auch der erste Artikel, der sich mit dem Ursprung arkaner Energie und dessen Befleckung beschäftigt. Die Ausbeutung dieser Kräfte durch einen eigenen Beutel für Zauberproben finde ich jedenfalls sehr gelungen und stimmig.
Aber auch blut_und_glas von d6ideas selbst hat sich etwas näher mit der Magie von Beutelschneider beschäftigt. Dabei herausgekommen ist ein sehr kurzer Absatz zur Magie des Goldes, der magische Kräfte eher in der Tradition von Artefakten, Tränken oder Flüchen als langfristiges Resultat interpretiert. Konsequenz schafft diese Zauberer auch Münzen, Beutelschneiders Ressource für dauerhaften Einfluss. Einfach und vor allem auf der Erzählebene interessant interpretiert, obwohl natürlich der Prunk und Pomp von spontaner Magie, wie man sie so oft im Rollenspiel vorfindet, ausgeblendet wird.
Auch ich selbst habe mir auf Spiele im Kopf Gedanken über die Regeln für Magiesysteme gemacht und, wie schon in der Einleitung erwähnt, einen Gedanken ausformuliert, der mich schon seit Jahren umtreibt: Eigentlich wäre es kein Problem, einen universalen Magiebaukasten für das Rollenspiel zu entwickeln, denn von der rein mechanischen Seite lassen sich Zaubereffekte auf nur wenige Auswirkungen und Modifikationen herunterdividieren. Wenn, ja wenn nicht jedes Rollenspiel auf der anderen Seite diese mechanische Seite ganz individuell auslegen würde.
Obiger Artikel enthielt aber im Kern nur graue Theorie, ohne meine These einmal praktisch umzusetzen. Zum Glück inspirierte mich d6ideas Magie des Goldes dazu, anhand des in seinen mechanischen Grundzügen sehr einfachen Beutelschneider genau diesen Baukasten für dieses System zu erstellen. Herausgekommen sind dabei gerade einmal sieben Zauber, die im Gegensatz zur Magie des Goldes stärker eben den kurzfristigen Prunk und Pomp von Zauberei abbilden und, zumindest laut blut_und_glas, weit über die bisherigen Ansätze der ursprünglichen Autoren hinausgehen. Gern geschehen!
Wie jeder Karneval der Rollenspielblogs schließt auch der der Magiesysteme mit einem Durchstöbern der Archive von d6ideas, wobei durchgängig Artikel zu Magieregeln denn zum Weltenbau ans Tageslicht gekommen sind. Hervorheben möchte ich noch einmal den über die Hortaktien zum lange vergangenen Drachenkarneval, der geschickt die Gier eines Drachen nach Macht mit der nur auf den ersten Blick großzügigen Vergabe von Anteilsscheinen verknüpft.
Ein Fazit
Knapp über ein Dutzend Artikel zu einem sperrigen Thema – da kann ich nicht meckern. Gerade die wenigen Beiträge zur Magie aus Spielweltsicht haben einige faszinierende Konzepte und Ideen aufgeworfen, während auf der regellasteigen Seite der Artikel diverse Zusatzregeln, theoretische Ansätze präsentieren. Und wenn am Ende des Monats eine überraschende Zahl von neuen Modulen für das herrlich reduzierte Beutelschneider herauskommt, werte ich den Karneval der Magiesysteme für mich persönlich auf jeden Fall als Gewinn.
So bleibt mir am Ende nur erneut den Teilnehmern für ihren Einsatz zu danken, der auch den achten von mir moderierten Rollenspielkarneval zu einem kleinen, aber mehr als feinen Erfolg hat werden lassen.
Inzwischen sind aber auch schon fast drei Wochen seit dem Ende des Maikarnevals vergangen. Zeit genug, um sich Gedanken für den Junikarneval der Rauschmittel zu machen – während ich mir überlege, welches Thema ich vielleicht im nächsten Jahr moderieren möchte.
Bildquellen
"Crystal Study 2": AngelGanev via DeviantArt
Fhtagn Logo: Deutsche Lovecraft Gesellschaft e.V. (dLG), via fhtagn-rpg.de
Die Schwarze Katze Regelwerk: Ulisses Spiele, via GameOnTabletop
Beutelschneider Berserkerbeutel: d6ideas
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