Wie in jedem Jahr folgt bei der monatlichen Blog-o-Quest auf den Jahreswechsel der Blick zurück - diesmal durch die anhaltende Pandemie auf ein ganz besonderes Jahr, bei dem nicht mal die inzwischen etablierte Form des Onlinerollenspiels mir geholfen hat, sonderlich mehr zu zocken.
- Welches Rollenspielereignis war für dich am prägnantesten/lustigsten/einprägsamsten in 2020?
Wie schon in älteren Blogbeiträgen erwähnt gehöre ich zum Supportteam von Pegasus' neu erschienenem Talisman Adventures RPG, das ich auf der digitalen Convention ConSpiracy und der Spiel.digital auch diverse Male vorgestellt habe. Bei einer dieser Runden schalteten sich spontan eine Mutter samt Sohn von zehn Jahren ein - beide vom Rollenspiel überhaupt keine Ahnung, aber er ein begeisterter Fan des Talisman-Brettspiels.
So führte ich das Duo durch die erste Szene des Demoabenteuers auf einem Friedhof, das die beiden auch gut bestanden. Zwar meinten sie, sie hätten damit einen ausreichenden Eindruck gewonnen und würden die Runde damit beenden (schließlich gab es ja noch so viele andere digitale Angebote während der Spiel.digital), aber das grundsätzlich Konzept hat beide wirklich fasziniert. Eine Figur über mehrere Sitzungen behalten? Ihre Erfahrung und fortlaufende Verbesserung dabei festhalten? Auf Dauer eine größere Geschichte erzählen? Beides war meinen beiden Spielern völlig fremd, aber die Idee fanden sie wirklich ansprechend. So gab ich ihnen noch eine kleine Erläuterung in die Grundzüge des Hobbys und entließ sie mit einigen Empfehlungen, was man sich denn noch anschauen könnte. Ich habe keine Ahnung, wie es mit Mutter und Sohn weitergegangen ist, aber ich wünsche mir doch, hier zwei wirkliche Neulinge für unser Hobby gewonnen zu haben.
- Wie oft bist Du 2020 zum Spielen gekommen? Was wurde am meisten gespielt, welche Systeme hast Du neu kennengelernt? Wie hoch ist die Onlinequote?
Kaum. Obwohl meine Rollenspielrunde sich sehr schnell an die neuen Gegebenheiten der sozialen Distanz einstellen konnte und mit Roll20 auch zügig die passende Plattform ausgemacht wurde, haben wir über das Jahr verteilt vielleicht ein halbes Dutzend mal gespielt. Gerade im zweiten Halbjahr nach den Sommerferien wollte uns die Terminfindung so gar nicht gelingen. Dabei kam ausschließlich DnD 5 auf den virtuellen Tisch, wo wir uns zuerst dem Drachenraub in Tiefwasser widmeten, um danach unsere Abenteuer im Umland der Stadt fortzusetzen. Grundsätzlich werden wir das auch fortführen, nur gönnt sich der Spielleiter Stand jetzt eine kleine Pause, die wir dann mit anderen Systemen und Welten füllen werden.
Hinzu kommen natürlich die oben erwähnten Demorunden für Pegasus' Talisman RPG im Rahmen der ConSpiracy und der Spiel.digital 2020, aber auch da komme ich vielleicht auf acht Runden insgesamt.
- Welches RPG-Produkt 2020 (aber nicht unbedingt aus 2020) ist Dein Produkt des Jahres?
Hier sei ein wenig Nabelschau und Selbstbeweihräucherung erlaubt: Im September erschien bei Ulisses Spiele endlich das schon seit Jahren angekündigte Quellenbuch "Kaers" zu Earthdawn 4e aus meiner Feder. Das wenige Feedback, das ich bisher mitbekommen habe, war auch bis auf einige Ausnahmen positiv; allerdings merkt man schon, dass Earthdawn unter Rollenspielern und Rollenspielbloggern ein echter Exot ist, der für die meisten unter dem Radar läuft und im Netz kaum Beachtung findet. Egal, mein Name steht drauf, und ich bin bin weiterhin sehr zufrieden mit dem Beitrag, den ich zu meinem Lieblinssetting leisten konnte.
Ansonsten war eine wirklich angenehme Überraschung Jim Henson's Labyrinth Adventure Game von Riverhorse. Nun sindLizenztitel ja grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, und die Brettspielumsetzungen des selben Verlags zu eben Labyrinth und The Dark Crystal waren wohl auch eher mau.
Das Rollenspiel zum Labyrinth besinnt sich auf die Stärken der Kinovorlage, nämlich die episodenhafte, zielgerichtete Reise zum Zentrum des Labyrinths, um den Goblinkönig mit seiner eigenen Forderung zu stellen. Dabei präsentiert das Buch, übersichtlich unterteilt in Zonen wie die Steinwände, das Heckenlabyrinth oder die Goblinstadt, kurz und knapp beschriebene Einzelorte mit Zufallstabellen, die die Reise einer jeden Runde wirklich einzigartig machen können. Gespielt habe ich es noch nicht, aber ich überlege, es in absehbarer Zeit einmal auf einer Online-Con wie etwa der ConSpiracy anzubieten.
- Welcher Blogartikel, welches Video, welcher Karneval Deiner RPG-Kollegen (also quasi der Blogosphäre) hat Dich 2020 am meisten geflasht?
Ein spezieller Blogartikel mag mir nicht einfallen, allerdings war ich doch sehr angetan vom neuen Podcast "Zock-Bock-Radio" des (inzwischen so umbenannten) Pesa-Nexus. Nun sind die Moderatoren im Rollenspieler-Internet keine unbekannten und mitunter auch durch kühne Thesen und diskussionsfreudiges Gebahren aufgefallen; um so interessanter finde ich aber den ausgiebigen und äußerst fachkundigen Blick in die Philosophie der PESA eben durch die überlangen Episoden. Zudem macht es das ganze persönlicher, mal zu den bekannten Nicknames eine Stimme zu hören; nicht zuletzt, weil der von mir hochgeschätzte blut_und_glas von d6ideas immer wieder mal dabei ist.
Einerseits muss ich aber auch zugeben, dass ich nicht alle Folgen wegen ihrer imposanten Länge in Gänze gehört habe, andererseits hat mich aber gleich die erste Episode zu einem eigenen Blogartikel zur Umsetzung des Gehörten inspiriert.
- Welches sind die Medien 2020 für Dich? Bester Film, beste Serie, beste Buch, beste Comic etc.?
Wie unvorsichtig, hier so allgemein nach Medien zu fragen, ist dies doch ein ganz weites Feld.
Der beste Film, den ich 2020 gesehen habe, stammt eigentlich aus dem Jahre 2018 und ist, nun ja, sehr speziell: Mandy von Autor/Regisseur Panos Cosmator mit Nicolas Cage in der Hauptrolle. Die Geschichte über einen abgeschieden lebenden Holzfäller, dessen titelgebende Frau von einem selbstverliebten Sektenführer entführt wird, reicht eigentlich gerade einmal aus, um einen 20-Minuten-Film zu füllen. Die lethargische Erzählweise jedoch nimmt sich dafür satte 121 Minuten Zeit, hüllt das ganze in grelle, unwirkliche Farben, während die brütende, langsame Musik des zu früh verstorbenen Jóhann Jóhannsson die hypnotische Wirkung des Films weiter verstärkt.
Sicher kein Film für jedermann, aber wer sich darauf einzulassen vermag, den erwartet ein wirklich einmaliges Erlebnis.
Zur besten Serie 2020 hat mein Bauchgefühl natürlich zuerst "The Mandalorian!" geschrien, aber bei genauerem Nachdenken fand ich die zweite Staffel dann doch deutlich schwächer als die erste. Hat nämlich der Auftakt von 2019 noch erfolgreich geschafft, seinen eigenen Weg zu gehen und das Star-Wars-Universum auf interessante Weise zu erweitern, so reiht sich die Fortsetzung - wenn auch stimmig und vielseitig - doch zu sehr dem bereits in Serien und Filmen Etablierten unter und verliert dadurch für meinen Geschmack ihren persönlichen Charakter. Warum muss nur eine Nebenfigur aus den alten Filmen, die schon immer ein Fan-Favourite war, gegen Ende derart in den Mittelpunkt gerückt werden? Wie gut hätte ich mit einem kurz erhaschten Blick auf Tatooine leben können, die andeutet, wie besagter Gauner schwer entstellt seiner tödlichen Falle entkommen ist und sich nun als Eremit von seinem gefährlichen alten Leben verabschiedet hat. Und warum muss sich die Handlung wie schon in anderen Folgen all zu oft auf einen Deus-Ex-Machina verlassen, der unseren Protagonisten aus einer ausweglosen Situation rettet - und dann auch noch einen weiteren Prominanten zum Ende? Allerdings bin ich nach dem Fortgang einer zentralen Figur im Staffelende zumindest sehr gespannt, welche Richtung die nächste Staffel nun einschlagen wird.
Somit fällt meine Wahl auf The Boys Staffel 2. Nicht nur mag ich den kruden schwarzen Humor, der aus Garth Ennis Comicvorlage gekonnt ins Fernsehen übertragen wurde, sondern vor allem die einzelnen Figuren und ihre inneren Dämonen, mit denen sie zu kämpfen haben. Absolutes Highlight ist weiterhin der Homelander, der hinter der Fassade des mächtigsten Superhelden der Welt letztlich nur sein ständig verletztes Ego streicheln kann.
Bei Comics habe ich mich wie schon in den vergangenen Jahren sehr zurückgehalten. Immerhin habe ich angefangen, meine Sammlung der grandiosen Serie Donjon zu vervollständigen, nachdem ich von den "Abenddämmerung"-Bänden doch einige verpasst habe. Und mit der neu erschienenen Zeitebene "Antipoden" setzt sich die Jahrhunderte, nein, nunmehr Jahrtausende überspannende Historie dieses Ortes ein weiteres mal fort.
Bei den Brettspielen ist mein haushoher Favorit der Titel, der bereits auf meiner Einkaufsliste für die digitale Spiel 2020 ganz oben stand: Micro Macro Crime City. Ich wiederhole mich: Eigentlich ist es nur ein riesiges Wimmelbild, aber so gekonnt in häppchenweise Fälle aufgeteilt, die durch das wiederholte Auftauchen der Figuren den zeitlichen Ablauf der Ereignisse darstellen, dass die Suche eine wahre Freude ist. Meine beiden Jungs waren ebenfalls ganz heiß darauf, und so hatten wir die 16+2 Fälle (regulär plus Promokarten) nach einer Woche erfolgreich gelöst. Wer meiner begeisterten Beschreibung noch Skepsis entgegenbringt, der probiere gerne den Demofall aus. Ansonsten prognostiziere ich Micro Macro als Preisträger für das Spiel des Jahres, weil es einfach alle Kriterien der Jury erfüllt: Leicht zugänglich, hoher Aufforderungscharakter durch die bezaubernde Optik, und ein Verlag mit starkem Vertrieb im Hintergrund, der auch die resultierende Nachfrage stemmen könnte.
Und wenn wir schon den gesamten Bereich Medien abgrasen wollen: Durch puren Zufall hat mir der YouTube-Algorithmus zur Jahresmitte die griechische Doom-Band Acid Mammoth empfohlen, die es mir seitdem sehr angetan hat. Nichts wirklich weltbewegendes und unverkennbar in der Tradition von Black Sabbath, aber einfach schön knarziger Schlurfmetal mit einer herrlich knackigen Produktion. Im März 2021 kommt schon das nächste Album; ich bin gespannt.
Die Blog-O-Quest
- An jedem Monatsersten stellen Würfelheld oder Greifenklaue, und inzwischen die deutsche Bloggerschaft in abwechselnder Reihenfolgen fünf Fragen/Lückentexte, welche auf Blogs, in Podcasts, Vlogs oder Foren beantwortet/ausgefüllt werden können.
- Jeder Monat erhält ein Hauptthema, um das sich die Fragen drehen. Im Oktober stammen diese von Greifenklaue
- Über die Zusendung Eurer Links, per Mail, Kommentar, usw. erfreuen die Macher sehr. Oder man verarbredet hier eine eigene Queste.
- Jeder, der sich die Zeit nimmt, die Fragen zu beantworten, ist herzlich willkommen.
- Die “RPG-Blog-O–Quest” Logos dürfen selbstverständlich in den Beiträgen benutzt werden.
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OHa, Acid Mammoth ist definitiv ein Geheimtipp auch für mich, danke!
AntwortenLöschenUpdate: CD gekauft ... Danke für den Tipp!
AntwortenLöschenGern geschehen! Und gut zu wissen, dass noch andere so altmodisch sind wie ich und tatsächlich CDs kaufen.
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