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09.11.2011

[Rezension] Umläut - Game of Metal

"Heavy Metal. Der Begriff allein trieft von Stärke, Testosteron und Haarspray. Krieger auf der Bühne der Geschichte schwingen ihre Äxte und Mikrophone in ihrer Schlacht für den Ruhm. [...] Mit langen Haaren und engen Hosen trittst du den Legionen des Metal bei, auf der Suche nach Babes, Alkohol und Ruhm. [...] Dies sind die Helden einer Ära. Dies ist ihre Geschichte."
Mit diesen Worten buhlt das Indie-Rollenspiel "Umläut - Game of Metal" von Rich Stokes seit 2010 um die Gunst der potentiellen Käufer. Mich als treuen Jünger der elektrischen Gitarre und der bohrenden Riffs hatte dieses Konzept jedenfalls sofort angesprochen und so musste ich einfach zugreifen.


Die Kurzfassung: Dieses Spiel rockt.



Was bekommt man in die Hände?
"Umläut - Game of Metal" ist in englischer Sprache entweder als pdf über DriveThruRPG für 10$ zu haben; notorische Sammler wie ich greifen natürlich zur gebundenen Fassung. Diese kriegt man entweder direkt bei Verleger Cubicle7 für $19,99 oder bei den üblichen Verdächtigen unter den deutschsprachigen Internethändlern.
Das Heftchen ist mit 15x22,8cm etwas grösser als DIN A5 und umfasst 76 Seiten in schwarz-weiss. Das Layout ist sehr ansprechend, zudem wird der Text regelmässig illustriert von Fotos diverser Metal-Musiker auf der Bühne und fiktiven Konzertplakaten.
Auf der dazugehörigen Homepage findet man neben einem Beispielkapitel auch die pdf-Downloads für das Bandblatt, (etwas veraltete) Kurzregeln und die Stilkarten - dazu aber später mehr.


Wie funktioniert es?
Jeder Spieler erschafft zunächst seine eigene Metalband samt mindestens eines der Musiker. Als Richtlinie stellt Umläut dabei auch die vier grossen Spielarten des Metal vor: Classic, Glam, Death und Thrash. Unentschlossene können sich zudem von einem Namensgenerator im Anhang inspirieren lassen. Jede Band hat die vier folgenden Attribute, die jeweils mit dem Wert 1 beginnen:
Hope - Wie zufrieden ist die Band?
Ego  - Wie zornig ist die Band?
Fanbase - Wie viele Fans hat die Band?
Cash - Wie viel Geld hat die Band?

Anschließend darf jeder Spieler 7 Punkte auf die Auftrittswerte seiner Band verteilen:
Technique - Virtuosität mit den Instrumenten
Power - Rohe Energie
Stagecraft - Abliefern einer guten Show

Im Verlauf der laut Regelempfehlung rund dreistündigen Spielzeit versucht nun jeder Spieler, seine Band in den Olymp des Metal zu heben. Wie viele derzeitige Indie-Rollenspiele verzichtet Umläut - Game of Metal dabei auf einen Spielleiter, stattdessen erzählen die Spieler reihum die Spieler eine Szene aus dem Leben ihrer jeweiligen Band.

Szenen und Konflikte
Für den jeweils aktiven Spieler ist es dann stilecht an der Zeit, zu rocken! Jede Szene läuft auf einen bestimmten Konflikt hinaus, die die Veränderung der Bandwerte zum Ziel hat; sei es das Erhöhen der Fanbase durch einen Publicity Stunt, stinknormale Arbeit, um an Geldzu kommen, oder eine Szene aus dem Privatleben der Musiker, um neue Energie und Hoffnung zu tanken.
Um den Konflikt einer Szene zu entscheiden, ziehen der rockende Spieler und sein linker Nachbar – der Roadie – Karten von einem normalen Kartenspiel entsprechend der Vorgaben des Konflikts. Der Spieler mit den meisten schwarzen Karten gewinnt den Konflikt, bei unentschieden entscheidet die höchste Karte, hier zählen auch rote. Derjenige, der die höchste Karte, egal ob schwarz oder rot, gezogen hat, hat unabhängig vom Gewinner nun das Erzählrecht und darf das Ergebnis des Konflikts beschreiben.
Gewinnt die Band, erhöht sich das betreffende Attribut wie erhofft; verliert sie, erhält sie zumeist +1 EGO.

Ein Beispiel:
Murder Wolf haben für 2 CASH im Copyshop Werbezettel für ihr neues Demotape hergestellt, die sie jetzt vor dem örtlichen Musikladen Hitsville verteilen. Dadurch wird hoffentlich ihre FANBASE von 2 auf 3 steigern. Der rockende Spieler und sein Roadie ziehen somit jeder 2 Karten. Letzter zieht mit der Kreuz 6 und Pik 8 mehr schwarze Karten als der rockende Spieler mit seiner Kreuz 9 und Herz 10. Der Spieler von Murder Wolf - er hat dank der Herz 10 das Erzählrecht - beschreibt nun grummelnd, wie sich die Musiker lauthals mit einem bekennenden Fan von RnB in die Haare kriegen, bis der Besitzer des Hitsville die Streithähne schließlich von seiner Ladentür verscheucht. Die Flyer werden während des Gezänks in alle Winde verstreut, und ausser 1 Punkt EGO ist nichts gewonnen.
Einige wenige Szenen bestehen aus dem direkten Konflikt zwischen zwei Bands, so dass die beiden involvierten Spieler die entsprechenden Karten ziehen. Aus all dem sticht aber die Ausführlichkeit heraus, in der Konzerte mit zwei Gruppen abgewickelt werden.

Gigs
Bei einem Gig vergleichen zwei Bands, wie gut sie zu Eröffnung, Mittelteil und Finale beim Publikum abgeschnitten haben - so als würden die Zuschauer im Nachhinein die Leistungen der beiden Gruppen gegenüberstellen. Zu diesem Zweck erhält jeder Spieler ein identisches Set von 3 Stilkarten, die durch verschiedene Werte die Chancen beeinflussen, das Publikum auf seine Seite zu ziehen:
Solid Performance: Poetry 3 - Shred 3
Ballad: Poetry 4 - Shred 1
Face Melter! Poetry 1 - Shred 5

Um zunächst die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen, machen die Spieler der konkurrierenden Bands eine vergleichende Probe auf POETRY + TECHNIQUE. Nur der Gewinner hat eine Chance auf RUHM. Dazu zieht dieser Spieler Karten analog SHRED + POWER und zählen die schwarzen Karten wie üblich, zieht aber die schwarzen Karten ab, die sein Gegner analog seinem Wert in STAGECRAFT gezogen hat. Das Ergebnis erhält die Band für diesen Teil des Konzerts als RUHM. Wie immer erzählt der Spieler mit der höchsten Karte.
Nur die Band mit dem höchsten EGO hat zusätzlich noch die Karte Showboating! mit Poetry und Shred 4 auf der Hand, um mit einer verrückten Aktion das Publikum zu beeindrucken. Erhält dieser Spieler dabei allerdings nicht das Erzählrecht, darf der Spieler der anderen Band genussvoll erzählen, wie das ganze komplett in die Hose geht...

Ein Beispiel:
Götz lässt seine Band Murder Wolf gegen Franks Gruppe Metal Tornado antreten. Zur Eröffnung entscheiden sich Murder Wolf für eine gefühlvolle Ballade und ziehen POETRY 4 + TECHNIQUE 2 = 6 Karten, davon sind 3 schwarze. Metal Tornado hingegen wollen ihr Publikum von Anfang an vor die Wand spielen und starten mit einem Face Melter! Frank zieht POETRY 1 + TECHNIQUE 3 = 4 Karten, davon nur 2 schwarze.
Somit ist es an Götz, den Ruhm für diesen Teil der Show einzuheimsen. SHRED 1 + POWER 3 bringt ihm gerade mal 2 schwarze Karten ein, und da Frank mit STAGECRAFT 2 noch eine weitere schwarze Karte gezogen hat, bleiben davon gerade mal 1 RUHM übrig.
Frank hat er mit einem Pik As die höchste Karte für diesen Teil des Gigs gezogen. So erzählt er, wie Murder Wolf mit einem getragenen Akustikpart, der säuselnden Stimme von Sänger Ricky Wolf und einem hingebungsvollen Solo von Gitarrist Dan Wolf zwar das Publikum zu gebanntem Schweigen und vereinzelten hochgehaltenen Feuerzeugen hinreissen, die Menge aber gegen Ende des Stücks etwas unruhig wird, weil sie nun auf die härtere Gangart Lust hat.
Am Ende des Konzerts erhält die Band mit dem meisten RUHM eine größere Fanbase, ordentlich CASH und auch HOPE. Die geschlagene Band muss sich mit weniger CASH, einem kleineren Zuwachs ihrer FANBASE und einem Punkt EGO zufrieden geben.

Endspiel
Sind die in den Regeln empfohlenen 3 Stunden Spielzeit verstrichen, so spielen die Bands nach absteigender FANBASE zugeordnet noch jeweils einen Gig. Sodann darf jeder Spieler das weitere Schicksal seiner Band beschreiben. FANBASE ist dabei ein Richtwert für den Erfolg der Band, der Vergleich von EGO und HOPE lässt darauf schließen, ob die Musiker zusammenbleiben werden.

Ein Beispiel:
Murder Wolf haben es mit FANBASE 9 geschafft, einen guten Plattenvertrag bei einem Major zu bekommen. Die Headliner-Touren sind regelmässig ausverkauft und Sänger Ricky Wolf ziert des öfteren das Cover der gängigen Musikmagazine. Zwar kriselt es des öfteren zwischen den Egos von Sänger und Leadgitarrist, aber dennoch werden wohl auch in Zukunft einige Alben veröffentlicht werden.
Metal Tornado haben eine kleine aber treue Fangemeinde. Die Band wechselt zwar von einem kleinen Label zum anderen, schafft aber neben ihren Alltagsjobs regelmässige Clubtouren und hat weiterhin Spass an der Musik.

So weit, so gut. Ist es denn auch wirklich *Metal*?
Absolut. Man merkt auf jeder Seite, dass Autor Rich Stokes genau weiss, wovon er da schreibt; angefangen beim augenzwinkernden Titel des Spiels, über die stimmungsvollen Illustrationen wie imaginäre Tourplakate und Backstagepässe, bis hin zu den punktgenauen Regelbeispielen. Auch im Regeltext sind immer wieder Anspielungen auf Klassiker dieses Musikgenres versteckt. Hier nur ein Beispiel, wegen der unmöglichen Übersetzbarkeit im englischen Original belassen:

"Finding out who has Narration Rights is really easy: it's the person with the highest card in their hand. Because it's Metal, it's Aces High. In the event of a tie, cards count in the same order they do in some versions of Poker. [...] That means the Ace of Spades is the highest card in the game. Well, duh, of course it is!"

Wer sich diese beiden Gags erst erklären lassen muss, ist dieses Rollenspiels einfach nicht würdig.
Ein wahres Kleinod ist aber der Zufallgenerator für Bandnamen in den Anhängen. Mit diesem kann man nicht nur so coole Bandtitel wie Suicide Reign (Thrash Metal), Hawkshadow (Classic Metal) oder Infernal Messiah (Death Metal) zusammenstellen; nein, sogar die Namen existierender Bands wie Death Angel, Judas Priest oder Cannibal Corpse werden von den Tabellen abgedeckt.
Kurzum: Freunde des Heavy Metal fühlen sich auf jeder Seite mehr und mehr angespornt, Umläut auch mal anzuspielen!


Ein Spielbericht
Tatsächlich habe ich mich auch einmal im Kreis meiner Rollenspielrunde eingefunden, um gemeinsam einen Abend Umläut auszuprobieren. Stilecht lief im Hintergrund das zu diesem Zeitpunkt aktuelle Album von Mastodon "Crack The Skye", und tatsächlich hatten von 6 Spielern ganze 5 ihre eigene Prog-Band geschaffen. Entgegen meiner üblichen Vorlieben (derzeit sehr viel Mastodon, Neurosis und alte Godflesh) entschied ich mich, die Klischees des Glamrock mit der Formation "Womanizer" auszuleben.

Der Abend gestaltete sich sehr zügig, und alle hatten grossen Spass daran, die Aktionen und insbesondere Auftritte ihrer Bands zu schildern, auch wenn ein etwas grösseres Augenmerk auf die einzelnen Musiker hätte gelegt werden können. Gerade gegen Ende entwickelten die Szenen einen augenzwinkernden Humor, der des Films This Is Spinal Tap würdig gewesen wäre.
Auffällig war zudem, dass bei der Abwicklung der Gigs der Zahlenoptimierer der Gruppe stur Balladen gespielt hat, um wegen des hohen POETRY-Werts die Aufmerksamkeit des Publikums und somit überhaupt eine Chance auf RUHM zu ergattern, und sei es auch noch so wenig.
Autor Rich Stokes erwähnt dieses Phänomen im letzten Kapitel des Regelhefts und beschwört zwar, dass ausgeglichenere Bands - wegen des potentiell destruktiven Effekts von STAGECRAFT - bessere Chancen hätten, in unserer Runde hat sich das aber nicht wirklich bewahrheitet. Mag es am Glück beim Kartenziehen der einzelnen Spieler gelegen haben, jedenfalls hinterliess dieser Mechanismus einen etwas schalen Beigeschmack.

Insgesamt ging die Runde über etwas mehr als 2 Stunden, und im Nachhinein war deutlich, dass die Empfehlung des Umläut-Regelwerks von 3 Stunden plus Abschlusskonzert auch nötig ist. In der kürzeren Zeitspanne war es gerade bei der grossen Spielerzahl nicht möglich, die Werte der einzelnen Bands auf ein wirklich gutes Niveau zu heben. Höhere Startwerte oder eine geringere Teilnehmerzahl mögen hier vielleicht Abhilfe schaffen.
Dennoch war es ein gelungener und spassiger Abend und eine willkommene Abwechslung von den "klassischeren" Rollenspielsystemen, die in unserer Runde üblicherweise auf den Tisch kommen.


Fazit
Wie schon oben beschrieben, kommen Metalfans an Umläut - Game of Metal nicht vorbei. Neben der unterhaltsamen Lektüre bekommt man auch ein Spiel geboten, mit dem man den ein oder anderen vergnüglichen Erzählabend unter Gleichgesinnten verbringen kann. Erste Erfahrung mit spielleiterlosen System sei dabei aber empfohlen. Auch sollten die Spieler unbedingt darauf achten, nicht nur die Band als gesichtloses Ganzes zu spielen, sondern den Augenmerk auf die Bandmitglieder und deren persönliche Geschichten zu legen.
Die kleinen Holprigkeiten in der Abwicklung der Konzerte, die der Autor in seinen Strategietipps sogar selber anspricht, tun dem Spielspass aber keinen Abbruch, auch wenn Powergamer sich natürlich motiviert sehen können, diese Unebenheit im Spielverlauf auszunutzen.
Und tatsächlich habe ich nach dem Verfassen dieser Zeilen auch wieder grosse Lust bekommen, einen weiteren Abend mit Umläut - Game of Metal zu füllen - denn dieses Spiel rockt!

1 Kommentar:

  1. Schönes Review. In diesem Sinne:

    http://www.youtube.com/watch?v=EWWFmhJKJW8&feature=player_embedded#!

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