[WinterTSC 2018] DnD5 Ravnica - Der Aedifex

23.04.2019
Seit Jahren hat sich der WinterOnePage-Contest von Greifenklaue und Würfelheld als feste Institution etabliert, der stets zum Jahresende aufruft, zu einer Handvoll Stichworte Rollenspielmaterial von genau einer Seite zu produzieren.
Nicht so aber im Jahre 2018 – Hier nahm Greifenklaue allein das Heft in die Hand und forderte für seinen Winter TwoSheet-Contest zur Abwechslung einmal vier Seiten. Diese Herausforderung nahm ich gerne an, schließlich hat man so doch unverschämt Platz für die eigenen Ideen – oder doch nicht?


Die Gilden von Ravnica
Setting und System für meinen Vierseiter waren mir von Anfang an klar: Ravnica für DnD5. Erst wenige Wochen vor Beginn des Wettbewerbs war mit dem „Guildmaster’s Guide to Ravnica“ das erste Quellenbuch erschienen, das das umfangreiche Hintergrundmaterial der zahlreichen Welten aus Magic: The Gathering offiziell für das Rollenspielflaggschiff des gleichen Verlags umsetzte.

Und diese Lektüre gefiel mir ausgesprochen gut. Abseits der allgegenwärtigen, vom Mittelalter geprägten Fantasysetttings präsentiert Ravnica eine sämtlich urbanisierte Welt voller seltsamer Kreaturen und Technik, in der zehn Gilden die Aufgaben des Alltags untereinander aufgeteilt haben. Übergroße Monstren, die in ihren Kämpfen untereinander ganze Häuserblöcke zermalmen haben dort genauso ihren Platz wie experimentelle Mischungen aus gegensätzlichen Elementaren, versklavte Schuldnerseelen oder Sporendruiden in der Kanalisation.
Dass diese Gilden ursprünglich den zehn möglichen Manakombination von Magic entsprechen, lässt einen das Quellenbuch sofort vergessen, so elegant ist es auf die Spielparadigmen von Dungeons and Dragons umgesetzt.

Nun blieb die Frage, mit welchem Inhalt ich diese facettenreiche Welt füllen sollte.


Eine Welt (fast) ohne Mauern
Als Thema vorgegeben war von Greifenklaue „Jenseits / Hinter der Mauer“. Ha, kein Problem, so dachte ich. Immerhin kennt Magic den Kartentyp „Mauer“, da wird sich doch sicher in den immerhin drei bisher veröffentlichten Blöcken zu Ravnica bestimmt so einiges an Inspiration finden.

Doch weit gefehlt.

Aus satten 1.858 Karten fanden sich gerade einmal 5, die diesen Kreaturentyp haben – und die waren dabei noch nicht einmal sonderlich inspirierend. Eine Schwebebarriere, ein Elektrostatisches Feld? Eine Nebelwand, eine Fallgitter-Ranke?? Einzig die Knochenbarriere, die der Flavortext als Warnung der Dimir-Gilde identifiziert, klang vielleicht ganz nett, aber kaum nach einem ausreichenden Aufhänger für ein ganzes Szenario.

       

Die rettende Eingebung kam mir daher erst, als ich die umfangreichen Kartenlisten im Netz weiter studierte und auf den Straßenknackerwurm stieß. Dessen Flavortext besagt nämlich folgendes: „Die Orzhov unterhalten eine Baukolonne, deren einzige Aufgabe es ist, hinter den Würmern herzuziehen und das wieder aufzubauen, was diese in Trümmern hinterlassen.“ Mauern abreißen und wieder aufbauen? Daraus kann man doch etwas machen, wenn auch nicht unbedingt mit marodierenden Riesenwürmern. Stattdessen entschied ich mich dafür, dass die Ursache für diese Verwüstung aus der Izzet-Liga stammt, einer Gilde von übermütigen Erfindern, die für den Fortschritt die wildesten Ideen entwickelt und haarsträubende Experimente durchführt.

Während das originale Quellenbuch den Zehnten Distrikt von Ravnica ausführlich beschreibt, entschied ich mich dafür, einen anderen Teil dieser Welt als Schauplatz zu nehmen. Hm, vielleicht kann ich da ja eine Seite nutzen, um diesen Stadtteil samt kleiner Iso-Karte kurz zu beschreiben. Aber letztlich sollte es nur bei dieser Idee bleiben, denn das eigentlich Abenteuer sollte allen Platz einnehmen, den mir die vier Seiten boten.

Der grobe Aufbau war auch schnell gestrickt: Eine uralte Izzet-Maschine, im Untergrund vergessen, wurde versehentlich reaktiviert, als ein Elektro-Experiment derselben Gilde nach hinten losgeht. Dieses Gerät, der Aedifex (lat. Architekt, Baumeister), hatte ursprünglich die Funktion, rohes Baumaterial zu neuen Gebäude zusammenzustellen. Nun beginnt er von neuem mit dieser Aufgabe – und zerstört dabei die Häuser in seiner Umgebung, um an die nötigen Rohstoffe zu kommen.
Die Helden würden also zunächst das Tohuwabohu an der Oberfläche meistern müssen, um dann inmitten der Gebäudetrümmer ihren Weg in den Untergrund zu finden, wo der Aedifex wartet und sie mit einem sich ständig wandelnden Labyrinth aus neu zusammengesetzten Mauern und halbfertigen Gebäuden konfrontiert. Dies war auch von Anfang an die reizvollste Idee, gab sie mir doch die Gelegenheit, mich an Plättchen für den Spielplan zu versuchen und gleichzeitig Regeln für deren modularen Aufbau zu entwickeln. Zuguterletzt würden die Bauarbeiten etwas abseits des Chaos in den Katakomben etwas freilegen, das ebenfalls seit langer Zeit verborgen ist und nicht wieder geweckt werden sollte.


Die Ausarbeitung des Abenteuers
Aus dieser groben Stichwortsammlung entstanden dann nach und nach ausformulierte Texte, wobei ich selbst entsetzt war, wie viel Platz dabei verbraucht wurde. Gemäß dem Beispielszenario „Krenko’s Way“, das Teil des Guildmaster’s Guide to Ravnica ist, sollte der Beginn auch leicht modular sein, weshalb vier mögliche Gegenspieler aus verschiedenen Gilden angerissen werden. Der Bürokrat Valtapek vom Azorius Senate klingt dabei übrigens nicht ganz zufällig wie der Umweltbeamte Walter Peck aus Ghostbusters

Als Hauptantagonisten sollten zudem „Bauarbeiter“-Maschinen den Distrikt verwüsten, denn irgendwie musste der Aedifex ja an sein Rohmaterial kommen. Bei diesen „Structoren“ galt es einen feinen Spagat zu meistern: Einerseits sollten die Maschinen mächtig genug sein, um Gebäude mit roher Gewalt zertrümmern zu können, andererseits sollten sie aber nicht auch die armen Spielerfiguren zermalmen. So ist die Aussage des fertigen Abenteuers, dass diese Monstren die Helden schlicht ignorieren, als Zugeständnis an die Spielbalance zu sehen.
Ein viel größeres Problem stellte für allerdings der Werteblock dar: Ich selbst habe zwar die entsprechenden DnD5-Bände im Regal – aber allesamt nur auf Englisch. Für einen deutschsprachigen Wettbewerb wollte ich natürlich auch die deutschen Bezeichnungen, und da WotC leider kein deutsches SRD erlaubt, musste ich in einem Düsseldorfer Rollenspielladen etliche Male in die Warenauslage spicken, bis ich alle benötigten deutschen Begriffe zusammenhatte…

Da zu diesem Zeitpunkt schon fast zwei Seiten gefüllt waren, war es höchste Zeit zu kürzen. Der Abstieg in die Tiefe von Ravnicas Unterwelt fiel weg und der Aedifex zu einem schwebenden Konstrukt umgemünzt, weil mit einem Aufstieg in die Höhe mehr Text zu sparen war. Auch die Idee, dass die Maschine bei ihren Bauarbeiten ungewollt ein eingekerkertes Monster befreien sollte, wurde ersatzlos gestrichen.

Der Kern des Abenteuers, die sich ständig verändernden Bauten des Aedifex, entstand fast ganz am Schluss. Die Plättchen selbst waren zu diesem Zeitpunkt schon fertig skizziert, so dass ich an deren individuelle Eigenschaften gehen konnte: Einerseits des ursprünglichen Gebäudes vor dessen Abriss, andererseits dessen Eigenheiten und Gefahren, nachdem der Aedifex es neu verbaut hat.

Tja, der Aedifex – nachdem die oben aufgeführten Szenen des Abenteuers ausformuliert waren, blieb mir nur noch eine halbe Seite für das Finale – die letzte Seite war bereits für die Gebäudeplättchen reserviert. So ist das Finale auch arg spröde geraten, nicht nur wegen des Platzmangels, sondern auch, weil DnD5 gegenüber DnD3 etliche Regeln entsorgt hat, die den Umgang mit der Höllenmaschine hätten umsetzen können – ja, ich meine dich, „Disable Device“!


Die Bebilderung
Wie schon erwähnt waren eine der ersten Ideen für den Wettbewerb die Bodenpläne, die im Lauf des Abenteuers vom Aedifex beständig umgebaut werden. Ich habe eh ein Faible für modulare Karten, bei denen die Lage der einzelnen Elemente zueinander von Bedeutung ist, und machte mich an die ersten Entwürfe. Zwar gab das Ravnica-Quellenbuch mit seinen Beispielgebäuden einen guten Startpunkt, aber meine weiteren Skizzen sahen dann doch zu sehr nach einem wirren Mix von Rechtecken aus und nicht nach interessanten Gebäuden.
Also musste die Realität herhalten, in Form von Google Maps. Wer also in meinem fertigen Beitrag etwas genauer hinschaut, der erkennt vielleicht 1:1 Ausschnitte oder komplette Teile von real existierenden Bauten, wie etwa dem Gasometer im Centro Oberhausen, der Kinderklinik der Uniklinik Düsseldorf, des Kölner Doms, Schloss Burg in Solingen, den Nove-Mesto-Platz im heimatlichen Solingen oder der Inseln Guidecca und Torcello in Venedig…

 
Die Reinzeichnung wurde dann noch in Photoshop mit den nötigen Symbolen für ihren Ursprungszweck und ihre Gefahrenherde versehen, und damit war die letzte der vier möglichen Seiten auch schon gefüllt.

Leider entfielen damit aber auch andere angedachte Illustrationen. Ein Bild der Structoren, sehr stark inspiriert von den Ork Gargbots aus Warhammer 40K,  entstand zumindest als Skizze. Nachdem aber klar war, wie viel Platz allein deren Werteblock einnehmen würde, blieb es auch dabei. Auch hätte ich gern ein Bild des in der Luft schwebenden Aedifex angefertigt, aus Sicht eines Bodenbewohners steil nach oben. Hierfür machte ich zwar einige Schnappschüsse mit dem Handy, um Gebäude in der nötigen extremen Perspektive als Vorlage zu haben, aber auch diese Idee kam wegen Platzmangels nicht zur Ausführung.

 

So fertigte ich letztlich nur eine Fußzeile an, die den farbigen Gebäudesilhouetten aus dem Guildmaster’s Guide to Ravnica nachempfunden ist. In der Mitte – direkt hinter der Seitenzahl – prangt auch der angedeutete Aedifex, für den als Vorlage eine offizielle Magic-Karte herhalten musste, die bereits sehr klobigen und elektrifizierten Steam Vents.




Der Zuspruch der Jury
Bei Einreichung meines Beitrages kurz vor Abgabeschluss befürchtete ich schon, mit meiner Interpretation der demontierten und neu zusammengesetzten (Gebäude-)Mauern das Thema des Wettbewerbs bis zum Anschlag überspannt zu haben. Umso überraschter war ich, als bei der Bekanntgabe der Auswertung „Der Aedifex“ den ersten Platz einnahm – und das dank großen Zuspruchs der Jury sogar recht eindeutig!

Leider hatte der TwoSheet-Contest mit nur vier Einsendungen nicht den Zulauf des WinterOPC in den vergangenen Jahren, aber dafür sind die Beiträge auch durch die Bank lesenswert und haben ihre Preise mehr als verdient!

So bleibt mir nur, Greifenklaue erneut für einen gelungenen Wettbewerb und den Juroren für ihr Votum zu danken. Und nach dem Wettbewerb ist bekanntlich vor dem Wettbewerb – der nächste WinterOPC kommt bestimmt…



Zuletzt: Der Download

DnD5 Ravnica - Der Aedifex (pdf 2,46 MB)

1 Kommentar:

Greifenklaue hat gesagt…

-ich danke Dir für den tollen Beitrag!

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