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29.09.2024

Essen Spiel 2024: Eine Einkaufsliste

 In weniger als einer Woche äffnet wieder die Spiel in Essen ihre Pforten und überwältigt die Besucher zum wiederholten Male mit weit über tausend Neuheiten. Dennoch habe ich es geschafft, für mich eine Vorauswahl zu treffen, bei der die interessantesten Titel in diesem Jahr sogar kleine Indie-Rollenspiele sind.


Bereits vorbestellt

1980 Sixtina von Looping Games 3-D313 26,00 [BGG]
Dieses kleinen spanischen Verlags, der regelmäßig im Rahmen seiner 1900-Serie kompakte Spiele mit historischem Bezug veröffentlicht, bin ich erst letztes Jahr kurz vor Beginn der Spiel gewahr geworden. Dieses Jahr ist mit 1980 Sixtina ein weiterer Teil über Gamefound finanziert worden, in der man die berühmten Renaissance-Freskos der Sixtinischen Kapelle restauriert. Da Spiele mit einem Bezug zu Kunst nicht nur für mich, sondern auch für meine Frau als ehemalige Theatermalerin interessant sind, habe ich an dieser Stelle auch meinen Beitrag geleistet. Zudem bedient die Serie meinen Fetisch für viel Spiel in einer kompakten Box zu einem überschaubaren Preis, so dass ich mein Exemplar schlicht am Messestand abholen werde – übrigens zusammen mit dem Titel des Vorjahrs 1902 Méliès.

Völlig überraschend ist zudem ist der Neuheitenliste der Spiel selbst eine deutsche Version beim Verlag Biberstein Spiele (4A130) aufgeführt, aber nun haben zumindest mein Geld die Spanier erhalten.



Seid endlich ruhig und nehmt schon mein Geld!

The Yellow House von Mandoo Games (5-A411), EUR 18,00 [BGG]
Bleiben wir beim Thema Kunst: In dem namensgebenden Gelben Haus in Arles plante Vincent van Gogh mit dem „Atelier des Südens“ eine Künstlergruppe aufbauen, doch nur Paul Gauguin folgte nach langem Zögern diesen Ruf. Beide eigenwillige Künstler gerieten allerdings immer öfter aneinander; und nach nur zwei Monaten verließ Gauguin seinen Kollegen in der Nacht, in der van Gogh sich einen Teil des eigenen Ohrs abschnitt.

Statt dieses makabren Teils in der Biographie des niederländischen Künstlers setzt dieses Spiel für zwei die Streitgespräche in ein Stichspiel um, bei dem man um die wichtigsten Elemente der Kunst debattiert wie etwa Talent und Inspiration, aber auch schnöden monetären Erfolg. Durch das Spielen mehrerer passender Karten rückt man den Marker dieses Elements weiter und weiter vor; und wenn ein Spieler keine Karten mehr spielen kann, endet die Runde und der andere erhält eine Karte der zuletzt gespielten Farbe. Hat man so drei Karten gewonnen, hat man sich in den Diskussionen durchgesetzt und gewinnt das Spiel.

Mit dem Kunstthema hoffe ich erneut meine Frau locken zu können – beim Familien-Sommerurlaub vor vielen Jahren, bei dem auch eine Nacht in Amsterdam anstand, bestand sie explizit auf den Besuch im Van-Gogh-Museum – außerdem sind Stichspiele ja leicht zugänglich. Zuletzt gehen die Illustration sehr in die Richtung von eben van Gogh und Gauguin und tragen so zusätzlich stimmig zum Thema bei.



Diamant von Pegasus-Spiele (3-P113), EUR 19,99 [BGG]
Keine Neuerscheinung, sondern die Neuauflage eines Klassikers von 2005, der schon durch diverse Iterationen und Verlage gewandert ist. Ein Veteran des Genres Push-Your-Luck, betreten die Spieler hier Karte für Karte nacheinander fünf Höhlen in der Hoffnung, dass so wertvolle Edelsteine aufgedeckt und verteilt werden. Nach jedem solchen Zug hat man die Wahl, ob man diese Beute sicher zurück ins Basiscamp bringt oder wagemutig weitergeht. Wird aber dabei eine Falle zum zweiten Male aufgedeckt, verliert man alles. Ein schlichter aber stimmungsvoller Titel, mit dem ich schon lange geliebäugelt habe und den ich nun – gerade weil bei Pegasus erschienen – quasi en passant mitnehmen kann.



Horrified: World of Monsters von Ravensburger 6-E300 40,00 [BGG]
Die USA sind seit 2019 schon in den Genuss mehrerer Varianten dieses kooperativen Spiels gekommen: Entweder muss man gemeinsam die klassischen Filmmonster wie Dracula, Frankensteins Geschöpf oder die Mumie aufhalten, konfrontiert die amerikanischen Sagengestalten wie Bigfoot, Chupacabra oder den Mothman; man stellt sich gegen die Kreaturen der griechischen Mythologie wie der Medusa, Cerberus oder dem Minotaurus, oder man sieht sich den Monstern der weitreichenderen Mythologie wie der Sphinx, dem Yeti oder – kommt überhaupt noch ein Spiel ohne ihn aus? – Chulhu gegenüber. Gemensam erkundet man die Ortschaften der Karte und sammelt dabei die Gegenstände ein, die man benötigt, um ein „kleineres“ Monster zu besiegen, bevor der Terror durch die Spukgestalten zu viel wird. World of Monsters erweitert dieses Konzept der Horrified-Reihe noch, indem man das Portal nach R’lyeh öffnet und… naja, ihr wisst schon.

Mit World of Monters schafft zumindest die letzte dieser vier Fassungen nun auch endlich den Sprung auf den deutschsprachigen Markt. Die kooperative Natur sowie das Thema sprechen mich sehr an – obwohl ich die Urfassung mit den Filmmonstern persönlich am spannendsten finde – und auch wenn einzelne Netzrezensionen bemängeln, dass die Qualität der Komponenten mit der Zeit nachgelassen haben soll, so habe ich doch genug Vertrauen in das Designteam von Prospero Hall (die ja auch für Villainous verantwortlich sind), dass ich hier gerne zugreife.


Fischen von 2F-Spiele (3-G511), EUR 12,00 [BGG]
Friedemann Friese ist ja immer für originelle Ideen zu etablierten Themen und Mechanismen gut, und Fischen macht da keine Ausnahme. Zunächst ein ganz normales Stichspiel, wechseln hier von Runde zu Runde die Karten, die jeder Spieler zur Verfügung hat: Die Karten der gewonnenen Stiche aus der Vorrunde bilden den eigenen Zugstapel, so dass man bei Stichen mit nur niedrigen Werten auch mal überlegen muss, ob man nicht lieber auf diesen verzichten möchte. Hat man dann zu Beginn der Folgerunde nicht einmal genug Karten gewonnen, um überhaupt seine neue Hand aufzufüllen, erhält man ganz neue Karten aus dem Meeresstapel, die mit zunehmend hohen Werten, Trümpfen oder Sondereffekten aufwarten.

Kleine Packung, kleiner Preis, und dazu wieder mit gänzlich um die Ecke gedachten Ideen von meinem Lieblingsdesigner – wie kann ich daran vorbeigehen?


Funkenschlag-Tableaus von 2F-Spiele (3G-511), EUR 7,00
Mehr ein Gimmick als alles andere – aber da Funkenschlag immer noch mein absolutes Lieblingsspiel ist, nehme ich auch gerne für kleines Geld diese Papptableaus mit, die ein bisschen mehr dekorative Übersicht über die eigenen Pöppel und Kraftwerke schaffen.


Einen genaueren Blick wert


Funkenschlag: Outpost von 2F-Spiele (3-G511), EUR 48,00 [BGG]
Bleiben wir doch gleich bei Funkenschlag. Da laut Frieses Bekenntnis das alte Spiel Outpost aus den frühen 90ern – das ich selbst nie gepielt habe – eine große Inspirationsquelle für Funkenschlag gewesen sein soll, soll diese Weltraumvariante dem Tribut zollen. Genug neue Elemente bringt dieser Titel mit sich: Hier muss man erstmals Arbeiter einsetzen und auch in entsprechenden Unterkünften unterbringen und Synergien zwischen den einzelnen Städten nutzen. Ich bin aber unschlüssig, ob ich genau diese Änderungen wirklich brauche und nicht doch lieber beim klassischen Funkenschlag bleibe, von dem ich mit allen Erweiterungen inzwischen eh schon drei Kartons im Regal stehen habe. Da ich aber eh wegen Fischen und der Firmentableaus bei 2F vorbeisehen werde, kann ich mir auch noch die Vorzüge von Funkenschlag: Outpost erklären lassen.


Aqua von Sunrise Tornado (2-D411), EUR 25,00 [BGG]
Noch mehr Kunst für zwei Spieler und damit wie immer grundsätzlich interessant für mich und die Ehefrau. Karten mit Wassermotiven im Stil von Ölgemälden werden abwechselnd in einem Raster verdeckt ausgelegt; ist eine an allen vier Seiten umringt, wird sie umgedreht. Am Ende der Partie wertet ein Spieler nur die Spalten, der andere die Zeilen. Punkte erhält man für Sets der vier verschiedenen Symbole, zudem Bonuspunkte für die Motive Wasserlilie und Schildröte. Klein, wunderschön illustriert und schnell gespielt, macht Aqua aber auch nicht wirklich etwas Neues. Ich hadere immer noch, ob mir das dann 25,00 Euro wert sein soll, zumal es für weniger Geld auf der Spiel 24 spannendere Titel zu geben scheint.



Dead Cells Boardgame von Scorpion Masque (6F-300/303/403), EUR 85,00 [BGG]
Eigentlich albern, handelt es sich doch um die Brettspiel-Umsetzung eines sehr erfolgreichen Videospiels; und auf diesem Medium sollte es doch eigentlich genügen. Dennoch: Ich und einer meiner Jungs sind große Fans dieses furios-schnellen Roguelike-Metroidvenia mit seiner ansprechenden Pixelgrafik, bei dem man von Runde zu Runde langsam aber sicher mehr Kräfte und Waffen für den nächsten Durchgang freischaltet. Genau dieses Spielgefühl verspricht auch das Brettspiel und übt so doch einen gewissen Reiz auf mich aus. Aber allein schon das heftige Preisschild von EUR 85,00 lässt mich innehalten; auch wäre in meiner Familie eine – aktuell nicht angekündigte – deutsche Fassung interessanter. Den Umweg in Halle 6 wird es mir aber schon wert sein.


Slay the Spire – Das Brettspiel von Nice Games Publishing (5C-310), EUR 120,00 [BGG]
Zugegeben, dies ist nicht wirklich eine Messe-Neuerscheinung, und zugegeben, dieser Titel mutet fast noch alberner an als das oben aufgeführte Brettspiel zu Dead Cells. Auch hier handelt es sich bekanntlich um die Umsetzung eines im Original digitalen Roguelike-Deckbuilder, wozu also das Ganze noch einmal in einer großen Schachtel mit echten Karten? Zum einen macht mir schon das digitale Original – das ich erst vor einigen Wochen dank Android-Sonderangebot für mich entdeckt habe – mir großen Spaß; zum anderen höre ich nur Gutes über die Papierfassung. Während nämlich in der Vorlage ein einzelner Recke gegen mehrere Gegner antritt, erlaubt das Brettspiel bis zu vier Spieler, bei der jeder seine Karten auch auf die Widersacher seiner Mitstreiter ausspielen kann. Aber auch hier lässt mich der Preis von EUR 120,00 erschaudern und zögern, noch mehr als bei dem oben beschriebenen Dead Cells, das dagegen ja fast schon günstig ist.



Don’t believe the hype, oder: Geduld zahlt sich aus
Auch wenn sich auf der Spiel schon seit Jahren wegen der ungeheuren Masse an Neuheiten kein eindeutiger Must-Have-Titel mehr herauskristallisiert, stechen doch immer wieder einige Veröffentlichungen hervor, deren Reiz ich mich dann ebenfalls nicht entziehen kann. Mitunter ist aber Warten die bessere Variante, anstatt sofort auf der Messe zuzugreifen; so auch bei diesen Titeln:


Arcs von Leder Games (3G-311), EUR 60,00 [BGG]
Das neue Weltraumspiel von Cole Wehrle, der sich bereits mit Root und Oath einen Ruf wie Donnerhall erarbeitet hat, hat schon im Vorfeld seiner Erstveröffentlichung auf der GenCon einen ungeheuren Rummel verursacht. Nicht zu Unrecht, wie ich finde: Die Aktionsauswahl über die maximal 5 Runden erfolgt quasi über Kartenstiche, bei denen die Kartenfarben die gewünschte Aktion definieren. Punkte für die üblichen Ziele gibt es erst, wenn einer der Spieler seine entsprechenden Ambitionen als Eroberer, Wirtschafts-Tycoon oder Empath ausruft. Und von den zusätzlichen Möglichkeiten m Kampagnenspiel mit der Erweiterung The Blighted Reach wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst reden…

Dennoch kann ich mir bei Arcs Zeit lassen. Spielworxx, bei denen inzwischen ja alle Titel von Leder Games lokalisiert werden, hat bereits Anfang August verlauten lassen, dass auch Arcs im zweiten Quartal 2025 eingedeutscht wird. An deren Stand 3J--210 werde ich aber, wenn mir die Zeit bleibt, auf jeden Fall vorbeischauen, denn zumindest Demos von Arcs sollen dort stattfinden.


Castle Combo von Catch Up Games (6F-400/403/406), EUR 20,00 [BGG]
Außerdem immer wieder in diversen Vorschauartikeln und –videos präsent ist die kompakte Neuerscheinung Castle Combo, was mich mit seiner kleinen Schachtelgröße schon einmal direkt anspricht. Aus einer oberen und unteren Reihe erstehen die Spieler einzelne Burgbewohner, die einerseits bestimmte Symbole und Soforteffekte mitbringen, anderseits aber auch Punkte für andere Symbole oder die Position bestimmter Karten gewähren. Auch hier kann ich mir aber Zeit lassen: Kosmos hat bereits eine deutsche Version für 2025 angekündigt, die bei diesem Verlag auch leicht zu bekommen sein sollte.

Eine Randbemerkung: Jetzt werde ich mir in nächster Zeit zu meinem eigenen Prototypen CastleDraft wahrscheinlich nicht nur anhören müssen „Das ist ja wie Castles of Mad King Ludwig“, sondern auch noch „Das ist ja wie Castle Combo“. Na toll.



Rollenspiel
Zum ersten Mal seit vielen Jahren freue ich mich auf der Messe aber noch mehr über die Rollenspiel- als die Brettspielveröffentlichungen.


Last Sabbath von Officina Meningi (2C510), EUR 15,00 [alter Kickstarter]
Der erste Streich dieses kleinen italienischen Verlags, von dem ich vorher ehrlicherweise noch nie etwas gehört habe. Das Konzept klingt aber reizvoll: Man spielt einen Zirkel von Hexen/Hexern, die über mehrere vordefinierte Runden eine große Bedrohung aufdecken und schließlich besiegen müssen. Kernelement sind dabei gemeinsame Erinnerungen, die man aber auch opfern kann bzw. muss, um die eigene Magie überhaupt wirken zu können. Der etwas zu knuffige Illustrationsstil ist zwar nicht ganz mein Fall, aber in meinem Kopf schwirrt die Idee herum, ob man den Hintergrund nicht auf Ars Magica und die dort zentralen Magierbünde konvertieren kann. Für 15,- EUR wird man da wohl nicht viel falschmachen können.


Odyssey – Black Tales von Officina Meningi (2C510), EUR 20,00 [alter Kickstarter]
Der zweite Streich der Italiener schreibt die berühmte Erzählung Homers um: So sei der Veteran des Trojanischen Krieges gar kein Held gewesen, sondern ein skrupelloser Pirat, der seine mutigen Taten nur zur Tarnung erfunden hat. Die Spieler verkörpern Besatzungsmitglieder, die gemeinsam versuchen können, ob sie ihren gnadenlosen Anführer nicht aufhalten können. Dabei werden auch die klassischen Einzelgeschichten wie die Zyklopeninsel oder die Heimstatt der Zauberin Circe entsprechend uminterpretiert. Ich bin gespannt, wo dieses Rollenspiel nah am Original bleibt und wo es dieses umdichtet; auch hier wird der überschaubare Preis wohl dafür sorgen, dass ich zugreifen werde.


Red Borg: The Revolution’s RPG von Mondiversi (2C510), EUR 25,00 [alter Kickstarter]
Der dritte Streich ist vielleicht ein anderer Verlag, aber der gleiche Stand und auch aus Italien. Basierend auf dem erstaunlich vielseitigen Mörk Borg (wer hätte es bei dem Titel gedacht?) geht es hier um eine Nation regiert von gesichtslosen Eliten, Industriellen und Politikern, gegen die sich die ausgebeutete Arbeiterschaft erhebt. Vulgo: man kann jede beliebige, auch komplett ausgedachte sozialistische Revolution nachspielen Politisch zwar gar nicht meine Welt, aber wie immer in Mörk Borg schön aufgemacht; zudem lohnt es sich doch immer, mal über den eigenen Tellerrand zu blicken.


Und überhaupt: Nach dem ich im vergangenen Jahr am Stand von Free League Publishing (dieses Jahr 2B620) bereits die Grundregelwerke von Mörk Borg, Cy-Borg und Pirate Borg erstanden habe – die überragende Aufmachung verdient einfach die Anschaffung Druckausgabe – und immer mehr der OSR-Schlichtheit und dem fatalistisch-verzweifelten Tonfall des Systems verfalle, werde ich wohl in diesem Jahr auch bei einigen der Zusatzbände zugreifen.

Tatsächlich werden meine vier Tage auf der Spiel auch generell im Zeichen des Rollenspiels an Pegasus-Stand 3K-112 stehen: Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag werde ich Demorunden des DnD5-Settings Humblewood (zu dem auch bald eine Abenteuerbox erscheint) leiten; Samstagnachmittag und Sonntagvormittag gehe ich dann einen Tisch weiter und stelle die deutsche Fassung des Root-Rollenspiels vor, von der auf der Messe zumindest der Schnellstarter erhältlich ist. Und die anderen halben Tage wird man mir vor Ort mitteilen, bei welchen Brettspielen ich miterklären soll.

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