Karneval der Drachen: Die Beiträge

12.07.2016
Im Juni 2016 hatte ich für den Karneval der Rollenspielblogs in der Hoffnung auf ausgiebiges spielbares Material das Thema „Drachen“ ausgerufen. Nicht nur waren die Beiträge tatsächlich sehr zahlreich, sondern auch ausgesprochen vielseitig.

Wichtig war mir im Vorfeld im Rahmen des Eröffnungsbeitrags, das Potential der Lindwürmer für mehr als nur mächtige Gegner (oder Verbündete) herauszuarbeiten. Zwar machte diese Interpretation den Großteil der Beiträge aus, aber auch etliche andere Herangehensweisen wurden verwendet, so dass ich die diversen Artikel in ein entsprechendes Korsett zu zwängen versuchen werde.



Drachen in vielen Farben und Formen
Den wohl fulminantesten Beitrag lieferte Greifenklaue, der mehrere Serien aus der Feder von Bruder Grimm für Dungeonslayers veröffentlichte. Lieferte die Woche der metallenen Drachen zuerst sieben wohlmeinende Lindwürmer mit individuellen Vorlieben und Zielen, so folgten im Anschluss in der Woche der chromatischen Drachen weitere sieben Untiere. Abgerundet wurden diese Reihen mit dem Gedankenspiel über die Möglichkeiten von mehrfarbigen Drachen sowie die einzelnen Motive der Echsen, ihre Fähigkeit zur Gestaltwandlung einzusetzen.
Zwar folgt diese Artikelreihe dem DnD-Paradigma von guten Metall- und bösen Farbdrachen folgt und nominell für Dungeonslayers, so halten sich doch die abstrakten Spielwerte in Grenzen. So ist die Serie tatsächlich für jedes Fantasysetting eine inspirierende Lektüre, bei der jeder beschriebene Drache mit seinen Motivationen allein schon der Kern eines Abenteuers oder einer Kampagne sein kann.

Systemspezifischer hat Rumgecrawle das Thema angegangen. Im Rollenspiel Dungeon Crawl Classics wird für Drachen nicht einfach nur eine schnöde Werteaufstellung aufgelistet, statt dessen sollen acht verschiedene Tabellen ein wirklich einzigartiges Untier erschaffen, das seine Umgebung in Angst und Schrecken versetzt. Mit dem Kupferdrachen des Schlafodems wird auch direkt ein praktisches Beispiel hinterhergeschickt.

Ein weiterer mythischer Drache wurde noch von der Zauberferne angekündigt, wird aber wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt fertig.


Drachen und ihre Schätze
Gold und Edelsteine gehören wohl zu dem ersten Begriff, den man mit Drachen assoziiert. System Matters sinniert über die Drachenschätze und die sich darum rankenden Mythen unter den Sterblichen, die für sich schon einen guten Abenteueraufhänger abgeben, ebenso die umfangreiche Zufallstabelle für einzigartige Funde in so einem Hort.

blut_und_glas (der nicht nur mit diesem Artikel in Erscheinung trat) zerbrach sich lange den Kopf, wie der Schatz eines Lindwurms in einem modernen Finanzsystem in Form von Hortaktien aussehen könnte. Während ich dieses Konzept wegen der Raffgier eines Drachen eigentlich für nicht umsetzbar hielt, so hat mir die letztliche Lösung doch schön aufgezeigt, wie beschränkt ich diese Frage angegangen bin. Denn wer sagt, dass es letztlich die materiellen Reichtümer sind, die einen Drachen antreiben…?


Drachenwelten
Im Ghoultunnel wurde eine Reihe von älteren Artikeln erneut veröffentlicht, die die Welt Unter der Drachenklaue beschreibt. Hier sind die Echsen eben nicht nur ferne Monstrositäten, die tapfere Helden herausfordern, sondern stellen das Zentrum der Kultur und des Alltagslebens dar; sei es als Herrscher über eine altertümliche Stadt, Vorbild für eine Leibgarde oder Kern einer Konfession. Mit gefällt dieser Ansatz außerordentlich, denn warum sollten derart mächtige Wesen nicht ihre Stärke ausspielen und sich zum allgewaltigen Herrscher aufschwingen?

Ein weiteres Drachenszenario, extrahiert aus einem Liedtext, wurde in der Zauberferne zumindest angekündigt, hat es aber nicht mehr innerhalb der Monatsfrist in den digitalen Äther geschafft.


Drachenmythen
Manchmal ist es gar nicht notwendig, einem Lindwurm selbst zu begegnen, spinnen sich um seine Fähigkeiten und Motive doch genug Erzählungen, die in den Köpfen der Menschen herumspuken. Wer wollte nicht die Fähigkeit der Drachenzunge besitzen, die laut dem Haus der Renunziation in Unknown Armies in der Ursprache Lingua Draconis sprechen lässt? Das in einem ansprechenden Gerücht aus zweiter Hand formulierte Ritual kann aber auch einfach nur dazu führen, dass man sich die Zunge umsonst herausgerissen hat…

Wahrlich verzückt hat mich der Mythos der Wolkendrachen, ein weiterer Artikel aus der Feder von blut_und_glas auf d6ideas. Hier fließt alles zusammen, was einen guten (Aber-)Glauben ausmacht: Das nur vage Verständnis der Menschen von Naturgewalten, die gegenseitige Abhängkeit der Menschen und dieser Urkräfte voneinander, und nicht zuletzt die Ehrfurcht, die so ein Mythos ausdrückt. Trotz, vielleicht aber auch gerade wegen seiner Kürze ist dies mein Lieblingsbeitrag zu diesem Karneval.

Gerade diese Allmacht ist es aber, die auf den Nerdgedanken eine ausgiebige Klageschrift auslöst: Warum fällt jedem Autor immer nur ein Drache ein, wenn es darum geht, einen allmächtigen Gegner zu ersinnen? Tatsächlich haben diese Kreaturen schon diverse Genres und Settings durchdrungen, wen wundert also, wenn man sich daran auch sattsehen kann.


Drachen in Spielerhänden
Vielleicht ist es also interessanter, den Lindwurm in die Obhut der Spieler zu geben? Dieser Ansatz war es, der mich am Fate-Szenario Do: Fate of the Flying Temple fasziniert hat, auch wenn der Drache hier nur passiver Beobachter im Hintergrund ist. Die vielseitige Weltenbeschreibung habe auf die Möglichkeiten anderer Drachen von Do erweitert.

Noch einen Schritt weiter ist blut_und_glas auf d6ideas gegangen. Im wiederentdeckten Szenario der Drachenhöhle übernehmen die Spieler nicht nur die Rolle des Lindwurms, nein, sie teilen sich sogar den selben Körper und übernehmen jeder einen der vielen Köpfe des Untiers. Diesen Spagat zwischen der Not zur Kooperation und der Durchsetzung eigener Pläne würde ich gerne einmal an meinem eigenen Spieltisch ausprobieren. Und in meinem Hinterkopf rumort es, ob das nicht ein lohnender Aufhänger für ein kooperatives Brettspiel sein könnte…

Damit war blut_und_glas aber noch lange nicht am Ende. Für das auf d6ideas häufig vertretene d20-Setting The Red Star geben Drachen die Vorlage für eine modifizierte Charakterklasse her, die anhand der beiden Beispielcharaktere Goryn und Major Vlad Drakowitsch Krasnow noch einmal vertieft wird.

Schließlich inspirierte das Karnevalsthema noch einen alten Rollenspielkumpan von mir, die generelle Rolle des Drachen als notwendiger Bösewicht und tragische Figur zu reflektieren. Zwar ist dies in seiner Fassung eher ein Drehbuchentwurf geworden; für den Rollenspielbezug habe ich noch Überlegungen ergänzt, wie Spieler in Gestalt des Drachen diese Erkenntnis am Tisch entwickeln können.


Drachen dem Namen nach
Bei all den Varianten, die ich in meinem Eingangsbeitrag abdecken wollte, ist mir wohl doch noch einer entgangen: Dinge, die den Drachen nur im Namen tragen. Auch diese Interpretation hat einige Artikel hervorgebracht.

Dafür hat blut_und_glas noch SLA Industries, das andere Leib-und-Magen-System von d6ideas, erweitert: Der Kampfhelikopter Tower Aerospace Firedrake macht mit seinen thermobaren Sprengköpfen seinem Namen alle Ehre, während die längst ausradierte Gang der Heartbeat Dragons mit dem von ihnen abgeleiteten Kürzel HBD – „Here be Dragons“ – bis heute diffuse Angst verbreitet.

Der Preis für die abseitigste Interpretation des Drachenthemas geht indes an Clawdeen. Für ihre Dragonmuffins wird Backwerk optisch mit Lindwurmattributen versehen, und ein kleiner Imbiss am Spieltisch ist ja immer willkommen. Dazu kommt noch in der Szenebar des Dragon’s Lair für Shadowrun die Einbindung in das Spielgeschehen, reicht doch ein Mr. Johnson die für die Runner notwendigen Daten für hier vermittelte Aufträge meist durch in den Muffins versteckte Datenträger mit. Auch sonst ist die Bar aber ein interessanter Ort mit viel Spielpotential – die sublimen Aspekte des dort gedudelten Imagine Pop finde ich sehr reizvoll.


Ein Fazit

Nachdem mein Artefaktkarneval im vergangenen Jahr bereits viel spielbares Material zu Tage gefördert hatte, hegte ich die selbe Hoffnung für den Drachenmonat. Diese Erwartung ist aufgegangen – mit über dreißig Beiträgen ist wirklich viel an Spielwerten und Szenarien zusammengekommen. Besonders muss ich dabei noch einmal Greifenklaue/Bruder Grimm und blut_und_glas erwähnen – die beiden ausgezeichneten Drachenwochen haben bereits die Hälfte der Beiträge ausgemacht, während auf d6ideas etliche ausgefallene Interpretationen zu finden waren, die mir selbst nie in den Sinn gekommen wären. Aber auch an alle anderen Teilnehmer geht an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön für die rege Beteiligung, die mein Vorhaben verfestigt, auch weiterhin tunlichst einmal im Jahr einen Karneval zu moderieren.

Derweil ist der Julikarneval zu Romantik und Liebe bereits im Gange und hat schon etliche Beiträge inspiriert – so etwas passiert halt, wenn man sich mit der eigenen Zusammenfassung so viel Zeit lässt.

1 Kommentar:

blut_und_glas hat gesagt…

Danke für das Thema, die Organisation, die Zusammenfassung und das Lob!

Falls du die Drachenhöhle tatsächlich spielen solltest, dann würde ich mich über einen Spielbericht oder ein paar Eindrücke sehr freuen.

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