Von der Struktur im Kopf über Stichworte zum Fließtext
Dabei ist meine Arbeitsweise, zumindest bei der eigentlichen Schreibarbeit, der von blut_und_glas beschriebenen nicht ganz unähnlich. Die ungeordnete Ideensammlung und die erste Verfeinerung mit Möglichkeiten, Alternativen und Strukturen ist bei mir allerdings stets reine Kopfarbeit. So kann es tatsächlich Wochen dauern, über die ich einen Gedanken mit mir herumtrage und wälze, bis er es schließlich wert ist, auch schriftlich niedergelegt zu werden.
Die erste Textfassung besteht bei mir somit ebenfalls aus Stichworten und Satzfragmenten, die aber durch das lange Hin- und Her im Kopf schon eine klare Struktur haben, in der ich sie aufschreiben kann. Darauf folgt das gründliche Ausformulieren, wobei ich aber selten chronologisch vorgehe, sondern wonnevoll immer genau den Absatz bearbeite, zu dem sich mir gerade die richtigen Worte einfallen. Nun aber zu den aktuellen Beispielen.
Aktuell #1: Earthdawn 4e Kaerquellenbuch
Bereits im Januar 2017 von Ulisses angekündigt, habe ich dieses umfangreiche Schreibprojekt Ende März endlich zum Lektorat abgegeben. Da die redaktionelle Bearbeitung somit noch nicht vollendet ist, fasse ich dieses Quellenbuch für die Zwecke dieses Blogbeitrags einmal großzügig unter aktuelles Schreibprojekt.
Ihre einzigartige Verbindung zur Erde ließ die Obsidianer die Plage sicher in ihrem Lebensfelsen überdauern. Diejenigen aber, die es nicht rechtzeitig zu ihren Geschwistern schafften, verschmolzen in den Kaers mit ihren Geführten. In diesem Traumzustand verharrten sie meist während der gesamten Versiegelung der Zuflucht.
Dennoch gibt es Berichte von Obsidianern, die nach Jahrhunderten für kurze Zeit wieder erwachten und sich vom gemeinsamen Stein lösten, um dann auf verwirrende Weise das Kaer subtil zu verändern: So wurde hier vielleicht ein Findling exakt positioniert, oder dort ein Stück Acker mit einem Muster versehen. Erklärt haben die Obsidianer ihr Verhalten anderen Namensgebern jedoch nie.
„Der Obsidianer Ganban kehrt bis heute einmal im Jahr für einen Tag in seine alte Zuflucht Kaer Yozon zurück, um dort eine die riesige Felssäule zu studieren, die sich in der Mitte der zentralen Halle erhebt.
Aktuell #2: „Fifth Wave“ – Gurps Transhuman Space für MinimalD6
Thorsten Panknin vom empfehlenswerten Erzählspiel-Zine auf Anfrage fragte mich vor einigen Wochen, ob ich nicht einen Beitrag für die nächste Ausgabe des Magazins beisteuern wollte. Nachdem ich vor einige Wochen bereits mein Lieblingssetting Earthdawn auf das sagenhaft reduzierte MinimalD6 von Norbert Matausch konvertiert hatte, schlug ich eine Umsetzung des Hard-SF-Settings Gurps Transhuman Space vor.
Nun ist MinimalD6 schon sehr stichwortlastig und benötigt bis auf die sehr kurzen Regeltexte kaum ausformulierte Sätze, aber die folgenden sieben Zeilen (wenn man die Überschriften großzügig ignoriert) geben vielleicht einen Einblick in den Mischmasch zwischen Ausformulieren, schnödem Abschreiben der Begrifflichkeiten aus der Vorlage und der kompensierten Fassung der Konvertierung wieder (wobei man auch den bisherigen Wechsel zwischen deutsch und englisch entschuldigen möge). Dazu auch stilecht mit der Billigschrift des Windows Editors:
FIFTH WAVE
Auf die erste Innovationswelle der Agrargesellschaft vor 10.000 Jahren folgte vor 400 Jahren die zweite Welle der Industrialisierung. Die letzten hundert Jahre sahen gleich drei dieser Sprünge, die die Kultur und die Gesellschaft umgewälzt haben: Die dritte Welle der Digitalisierung, die vierte Welle der Gen- und Biotechnik und zuletzt die fünfte Welle von künstlichem Bewusstsein und Nanotechnologie. Die Möglichkeiten der Menschheit zu Beginn des 22. Jahrhunderts, den eigenen Körper und Geist perfekt auf die Umwelt anzupassen und so das Sonnensystem zu erobern, stellen mehr denn je die Frage: Was ist ein Mensch?
What you are
Human (Baseline Genefixed): No genetic defects or mental instability
Human (Baseline Floater): Fragile, Minority, Raised in Zero-G
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Human templates
Genefixed Human (Base template): No genetic defects, no Unattractiveness since 2035, no mental instability since 2050
Floater: Fragile, Minority Group, Raised in Zero-G
Aktuell #3: „Die Hinrichtung“ - Ein Demoabenteuer für 7te See 2e
Da ich ja seit Erscheinen der neuen deutschen Version des Piratenrollenspiel 7te See bei Pegasus nicht nur mehr als Gesellschafts- sondern auch als Rollenspielsupporter tätig bin, hatte ich eigentlich vor, zur RPC am vergangenen Wochenende ein alternatives Demoszenario präsentieren zu können. Aber ach, es hat nicht sollen sein, und war wegen des vorliegenden „offiziellen“ Demoabenteuers „Schwarzgebrannt“ auch nicht nötig.
Der Grund für die Verzögerung beim Schreiben ist die sehr ungewohnte Struktur von Abenteuern in 7e See. Lässt das System selbst den Spielern durch die sehr offene Wahl von Herangehensweisen an eine Szene großen Spielraum, so sind auf Seite des Spielleiters die möglichen Ergebnisse durch die Aufteilung in Risiken, Konsequenzen und Chancen samt nötiger Steigerungskosten sehr kleinteilig verklausuliert und erfordern ein entsprechend umfangreiches Vorausdenken über die zahlreichen Handlungsmöglichkeiten. So wird dann selbst ein relativ kurzer Text schnell überraschend umfangreich.
Meine eigentlichen #7Zeilen aus diesem Szenario illustrieren hoffentlich meine typische Arbeitsweise von der strukturierten Stichwortsammlung zum fertigen Text:
Nächste Szenen: Mit dem Ende der Nacht wird es für die Helden ernst: Nun müssen sie Kapitän de la Fuente vor dem Tod durch den Strick bewahren.
SCHRITT 2: SZENENBESCHREIBUNGEN: Die Helden müssen die Hinrichtung von Kapitän de la Fuente verhindern und mit dem Verurteilten über den Hafen der Stadt entkommen.
SZENE (ACTION): DIE BEFREIUNG VOM GALGEN
Mehr Wachen wenn bei „Heimliche Ankunft bei Nacht“ gesehen!
??? BEGEGNUNG FÜR EINTREFFEN AM PLATZ???
DRAMASEQUENZ FÜR POSITIONIEREN UND EINSCHLEICHEN UNTER SOLDATEN UND ADEL
ACTIONSEQUENZ FÜR EIGENTLICHE BEFREIUNG
Aktuell #4: „Läusemelken“ – Die erste brauchbare Regel zum Brettspielprototypen
Dieser Eintrag ist wenig gestrunzt, denn die ersten Arbeiten am Mehrheitenspiel „Läusemelken“ stammen bereits vom September 2016 und lagen dann anderthalb Jahre brach. Mir fehlte nämlich ein passender Effekt für eine der verschiedenen Mehrheitswertungen, der sich wie oben erklärt nur über sporadisches Nachdenken herauskristallisierte und jetzt erst wert ist, schriftlich niedergelegt zu werden. Alle anderen Komponenten sind schon seit langem fertig, nun kann ich vielleicht endlich mal ein Testspiel gegen mich selbst angehen.
Aber darf so etwas schon als richtiges Schreiben gelten? Unbedingt, denn jeder Ratgeber für angehende Spielerfinder wird nicht müde zu erwähnen, dass eine sauber ausformulierte Regel die Grundlage für das Verständnis des Spiels ist, und da sollte selbst der erste Prototyp keine Ausnahme machen:
Ameise nutzen: Hast Du auf einem Blatt die Mehrheit, sind also mehr Ameisen Deiner Farbe als von anderen Spieler vorhanden, kannst Du einen der folgenden Effekte nutzen:
Anschließend nimmt der Spieler alle eigenen Ameisen des genutzten Typs von dem Blatt zurück in seinen Vorrat.
- Soldat: Setze für jeden Deiner Soldaten 1 Ameise eines anderen Spielers auf dem gleichen Blatt auf ein freies Lausfeld auf einem anderen Blatt. Sind nicht genug Ameisen anderer Spieler oder freie Lausfelder vorhanden, so kannst Du diesen Effekt nicht weiter ausführen.
- Ernter: Nimm für jeden Deiner Ernter 1 Honigtau von einem anderen Spieler auf dem gleichen Blatt.
- Schäfer: Tausche 1 Lausplättchen vom selben Blatt mit einem Lausplättchen auf einem anderen Blatt mit allen Ameisen darauf. Liegt auf einem Feld noch kein Lausplättchen, darf nur die Ameise auf dem Feld getauscht werden.
So, nun soll es aber genug des Status Quo meiner Schreibwerkstatt gewesen sein . Die Texte wollen auch noch vollendet werden.
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