Karneval der Artefakte: Die Beiträge

04.09.2015
Der August 2015 ist verstrichen, und damit hat auch der Karneval der Rollenspielblogs zum Thema „Artefakte“ sein Ende gefunden. Nach holprigem Start hat sich der Monat als sehr ergiebig gezeigt, was spielbares Material angeht – nicht zuletzt wegen Posts im Tagestakt unter dem Titel Artefact-a-Day. Anlass genug also, sich die Beiträge abschließend noch einmal genauer anzusehen.


Tipps für den Einsatz von Artefakten
John Doe lieferte mit Artefakte, ein Spaß für jedes Setting! den einzigen Beitrag, der sich mit dem Phänomen des Artefakts in verschiedenen Genres befasst. Mit dem Fokus auf die Science Fiction liefert er zudem einige schöne Beispiele aus TV oder bekannten Rollenspielen. Ein angekündigter Folgeartikel über die mythische Bedeutung von Artefakten ist aber leider ausgeblieben.


Das Artefakt, der besondere Gegenstand
Der naheliegenden Interpretation des Karnevalthemas, der Beschreibung seltsamer und machtvoller Objekte, haben sich die meisten Teilnehmer angenommen. Das Haus der Renunziation, stets ein reger Teilnehmer am Blogkarneval, fasste für diesen Monat ältere Artikel für Unknown Armies unter dem Oberbegriff Ikonische Artefakte zusammen: Allesamt Gegenstände, die erst durch ihren Kontakt zu berühmten Persönlichkeiten ihre Kraft gewonnen haben. Ich kann mich kaum entscheiden, ob mir das Geheimnis von Napoleon Bonapartes stets in der Brusttasche verborgener Hand oder James Deans Unfallwagen besser gefällt.

Nerd-Gedanken beschäftigte sich mit dem wohl faszinierendsten Artefakt des Star-Wars-Universums: den Holokrons. Erstmals aufgetaucht im Comic-Klassiker „Dark Empire“ von Dark Horse, ist dieser mächtige Gegenstand spätestens durch sein Auftauchen in der Clone-Wars-Fernsehserie als offiziell zum SW-Kanon gehörig geadelt worden. Eine weitere Verwendungsmöglichkeit, die der Beitrag nicht nennt, kam vor Jahren in meiner eigenen d20-Kampagne zum Einsatz: Die Handlung spielte nur wenige Jahre nach der Schlacht von Endor, so dass ein Mentor für den angehenden Jedi der Gruppe nur mit einigen Verrenkungen zu erklären gewesen wäre. So fand der Charakter stattdessen im Laufe des Prologs ein Holokron, das das Wissen des ithorianischen Jedimeisters Saldith beinhaltete und künftig als sein Lehrer fungieren konnte.

Chaotisch-Neutral präsentierte den Nicht-euklidischen Artefaktgenerator für Call of Cthulhu. Sehr passend für dieses System geht dieser Artikel nur nebensächlich auf die mythischen Eigenschaften des Objekts ein, sondern bietet vor allem eine umfangreiche, wortgewaltige Umschreibung mit viel zu vielen schmückenden Adjektiven, so wie es Lovecraft sicher gefallen hätte.

Mit Artefakte?! beklagte Markus auf Sprawldogs, dass High-Tech-Equipment und magische Foki bei Shadowrun kein adequater Ersatz für wirklich einzigartige Gegenstände mit mystischer Kraft sind. Seine Konsequenz: Der Fantasy-Teil dieses Crossover-Settings müsste wieder mehr in den Vordergrund rücken. Sein älterer Artikel über die Bärenkrone, der wie in Earthdawn die Abenteurer dazu zwingt, sich mit der Geschichte eines Gegenstands zu beschäftigen, war schon ein guter Schritt in diese Richtung – hoffentlich kommt davon irgendwann noch mehr.

Bleiben wir bei Shadowrun: Auch Aus den Schatten befasste sich mit Artefakten in der 6. Welt. Während Teil 1 noch auf die bekannteren Objekte – primär aus Dunkelzahns Vermächtnis und der Artefaktkampagne –auflistete, waren hier auch weitere Gegenstände samt Wirkung vorgestellt. Teil 2 setzte diese Reihe fort, und der Fokus auf indianische und technomantische Artefakte (dazu mehr weiter unten) lädt dazu ein, diese auch innerhalb eines längeren Abenteuers miteinander zu verknüpfen.

Yennico von d6ideas widmete sich meinem Lieblingssetting Earthdawn. Die fünf Ringe von Cadon Daal enthält alles, was man für die Verwendung in der eigenen Spielrunde braucht: Die Entstehung und Geschichte dieser Schmuckstücke in der Zeit vor der Plage sowie ihren möglichen Verbleib, dazu etliche Vorschläge für Abenteueraufhänger. Insbesondere die Tatsache, dass die beschriebenen Ringe schon vor dem unterirdischen Exil in den Kaers eine allseits bekannte Symbolkraft besaßen, die nun bei der Rückeroberung Barsaives von den Dämonen wieder erneuert werden kann, gefällt mir ausgesprochen gut.

Kurz vor Toresschluss trug auch noch der Ackerknecht drei schnelle Artefakte für „Cthulhu Risus“ bei, die eindrucksvoll beweisen, dass auch das schlichte Alles-geht-Rollenspiel durchaus in der Lage ist, die Unwägbarkeiten des Mythos abzubilden. Wahrscheinlich wäre Risus auch inzwischen meine erste Wahl, den eigenen Nachwuchs ins Rollenspiel einzuführen – es muss ja nicht gleich cthulhoider Horror darin vorkommen. Obwohl, wer weiß…


Neue Regeln
Craulabesh drehte in Die Beschwörung von Artefakten das Konzept um, dass Artefakte unbedingt das Ergebnis eines langwierigen und akribischen Schaffensprozesses sein müssen. Seine Hausregeln für Tunnels & Trolls sowie DnD ermöglichen, durch Anrufung der Schicksalsmächte oder der Kraft eines Ortes auch spontan einen herkömmlichen Gegenstand mit arkaner Macht zu füllen – dann aber eben auch mit unvorhergesehenen Ergebnissen. Nur selten bieten Rollenspiele überhaupt Regeln dafür an, dass ein Artefakt eben auch durch die Kraft des besonderen Moments entstehen kann, an denen eine spannende Spielrunde ja einige aufbringen sollte.


Mit dem Technofokus führte Markus auf Sprawldogs seine Überlegungen über Artefakte in Shadowrun fort, um die Palette von Fokusgegenständen von den klassischen Magieanwendern auf die Technomanten zu erweitern. Das in Markus erstem Artikel eingeforderte wirklich Fantastische geht diesen technischen Gegenständen natürlich ab, aber die Seltenheit solch esoterischen Programmcodes macht dies wieder wett.


Orte und Artefakte
Wie schon in meinem Eingangsbeitrag vorgeschlagen, sind Artefakte nicht nur machtvolle Ausrüstung, die erfahrene Helden mit sich herumschleppen, stattdessen muss es auch Orte geben, die zu ihrer Erschaffung dienen oder an denen besonders gefährliche Exemplare verwahrt werden. Yennico von d6ideas griff diese Idee als erster auf und übertrug das aus dem Fernsehen bekannte Warehouse 13 als Endlager in ein Fantasysetting. Der Beitrag beschreibt anregend detailliert die Probleme, gerade in einer von mächtigen Figuren mit Zugriff auf göttliche oder arkane Kräfte bevölkerten Welt solch ein Lagerhaus effektiv vor fremdem Zugriff zu schützen. Auch die Motive dahinter – seien sie göttlicher oder irdischer Natur – und die Möglichkeiten, die eigene Runde entweder als Eindringlinge oder Agenten in dieses Szenario einzubinden, kommen nicht zu kurz und bringen die eigenen Ideen zum Sprudeln.

Orakel von Tilting my World ging in Ortsbezüge von Artefakten noch einen Schritt weiter: In einem sehr fundierten Exkurs wird deutlich, dass in der Geschichte erst die Besonderheiten eines Ortes und die nur aus diesem Grund aufgestellten Kultstätten die Ursache für die Entstehung eines Artefakts sind. Dieser Ansatz, dass der Gegenstand mehr sein kann als ein reiner Bonuslieferant, sondern eben erst im Bezug zu einer besonderen Stätte seine wahre Bedeutung offenbart, liefert ungemeines Potential für die eigene Spielrunde.


Ich selbst griff wieder auf mein Lieblingssetting Earthdawn zurück. Die Idee eines Kaers, durchflossen von einem eigentlich lebensbedrohlichen Lavastrom mit gewaltigen Schmieden, hat mich seit der ursprünglichen Fassung zum 10-Dinge-Karneval nicht mehr losgelassen, und so bot der August die passende Gelegenheit, diese in Die Schmieden von Kaer Xipil angemessen auszuarbeiten. Größte Herausforderung dabei war für mich, einen nachvollziehbaren Grund zu finden, warum tausende von Namensgebern sich an so einem gefährlichen Ort zusammenfinden sollten, um dort die Jahrhunderte der Plage zu überdauern. Auch wenn dies letztlich eher in eine Geschichts- und Ortsbeschreibung ausartete, habe ich hoffentlich mit der letzten Passage noch die Kurve zurück zum Thema Artefakte gefunden.


Abenteuer
Den wahrlich umfangreichsten Beitrag lieferte jaegers.net mit dem kompletten Call-of-Cthulhu-Abenteuer Das Tutanchamun Artefakt – und dann auch rechtzeitig veröffentlicht zu Lovecrafts Geburtstag am 20. August veröffentlicht. Schon das Thema des Szenarios hat mir sehr gefallen: So bietet doch unsere eigene Historie eine Vielzahl an ungeklärten Ereignissen und Objekten, die mit nur wenig Nachdenken der Aufhänger für eine spannende Runde sein können. Der anschließende Spielbericht von der MantiCon bewies, wie gut das funktionieren kann.



Eine Klasse für sich: Artefact-a-Day von d6ideas
Obwohl dies nicht der erste Karneval der Rollenspielblogs war, den ich moderiert habe, bin ich zu Beginn des Monats wie schon früher meiner eigenen Ungeduld erlegen. Konkurrenz durch die übergroße Beteiligung an der RPG-a-Day-Umfrage fürchtend, versuchte ich plump, das Karnevalsthema in dessen Fragestellung zu integrieren. Angesprungen ist darauf nur einer: blut_und_glas von d6ideas, der daraufhin konsequent jeden Tag ein Artefakt unter der Überschrift Artefact-a-Day vorstellte.

Habe ich ihn dazu mit meiner schwammigen Formulierung in eine perfide Falle gelockt? Hat er meinen Aufruf falsch verstanden und überreagiert? Die Antwort darauf mag jeder für sich selbst finden, ich empfehle aber, sich lieber von den zahlreichen Beiträgen für den eigenen Spieltisch inspirieren zu lassen. Alle Beiträge sind komfortabel unter dem Tag #ArtefactaDay und im zusammenfassenden Forumsthread zu finden, so dass ich mich an dieser Stelle darauf beschränken will, auf meine persönlichen Höhepunkte einzugehen.

Laborartefakte (SLA Industries)
Der eigentlich recht gängigen Definition des Begriffs „Artefakt“ als eine nicht verwertbare Fehlmessung oder Datenverfälschung war ich mir bei der Vorbereitung dieses Karnevals zwar gewahr, wegen ihrer sehr abstrakten Natur habe ich sie aber bewusst nicht in meine Liste der Interpretationsvorschläge aufgenommen. Umso mehr hat es mich dann verzückt, dass blut_und_glas aus eben dieser Auslegung ein Objekt fürs Rollenspiel zu kreieren vermochte.

Die Göttertrommeln von Nashzar (DnD)
Auf den ersten Blick nur eine kahle Fläche in der Steppe, doch jeder Schritt an diesem Ort wird zu einem Dröhnen wie Donnerhall verstärkt. Simpel, fast schon zu simpel – aber dadurch versprüht dieser Ort auch eine wunderbare Mystik, die dadurch, dass dieser Artikel erst gar keine Erklärung für das Phänomen bereitstellt, nur noch verstärkt wird.

Das Juwel des Todes (Beutelschneider)
Es mag die Masse der Blogleser nie groß interessiert haben, aber schon seit Jahren dokumentiert blut_und_glas auf d6ideas ein ansprechend reduziertes System namens Beutelschneider, das mit seiner Verwendung von farbigen Murmeln in einem Beutel erfrischend neue Wege geht. So fasziniert es mich dann auch immer wieder, wie man diesen reduzierten Komponenten auf sehr clevere Art und Weise neue Verwendungsmöglichkeiten hinzufügen kann, ohne mit dem schlichten Grundgerüst zu brechen. Da mag mein euphorischer Zuspruch vielleicht im ersten Moment auch einmal zu Verwirrung führen.

Die Traumgondel (Earthdawn)
Wie schmeichelhaft, wenn ein Karnevalsbeitrag den eigenen über das Kaer Xipil in Earthdawn aufnimmt und gekonnt erweitert. Zudem vermittelt der Artikel aber auch noch eine sehr persönliche Note über die Verzweiflung der Kaerbewohner angesichts ihres drohenden Untergangs, die meiner eher sachlich-chronologischen Beschreibung eben fehlt.


Ein Fazit
Wie schon erwähnt, haben sich die deutschen Blogger in diesem August vielfach auf die Fragen des RPG-a-Day gestürzt, was aber letztlich der Zahl der Beiträge am Artefakt-Karneval nicht geschadet hat. Zudem hat sich meine Hoffnung erfüllt, dass dieses Stichwort vor allem spielbares Material erbringen würde. Zwar hatte ich einen größeren Zuspruch aus der OSR-Ecke erwartet, aber die Bandbreite der Artikel von Hausregeln über Gegenstands- und Ortsbeschreibungen bis zu Abenteuern kann sich dennoch sehen lassen. Da dies bestimmt nicht der letzte Blogkarneval sein wird, den ich moderiere, werde ich bei der Wahl des nächsten Themas den Erfolg dieses Stichworts bestimmt im Hinterkopf behalten.

Als ungeheuer ergiebig hat sich die Reihe Artefact-a-day erwiesen, die aber auch den Anspruch stellt, dass der/die Autoren sich jeden Tag etwas Neues ausdenken und nicht einfach nur wie beim RPG-a-Day über persönliche Vorlieben und Anekdoten berichten. Dennoch frage ich mich: Kann man dieses Konzept des täglichen kreativen Ausstoßes vielleicht zukünftig wiederholen, und sei es in einer leicht reduzierten Form, die Teilnehmern immer nur wenige Zeilen abnötigt? Richtlinien in Form einer täglichen Fragestellung wie beim RPG-a-Day könnten die Zugänglichkeit ebenfalls erleichtern.
Begriffe aus unserem Hobby, die dafür Material hergeben würden, fänden sich genug: NSC-a-day. Spell-a-day. Cult-a-day. Villain-a-day. Trap-a-day. Monster-a-day. Loot-a-day. Ja, da gäbe es reichlich Potential.

Nach einem sehr produktiven Monat bleibt mir nun nur noch ein herzliches Danke! an alle Beteiligten. Der Karneval der Rollenspielblogs geht indes weiter: Im September 2015 moderiert jaegers.net das Thema „Epic Fails und Darwin Awards im Rollenspiel“ – das verspricht eine Menge erheiternder Anekdoten.



Bildquellen
John Martin: "Die Siebte Plage", Public Domain
Larry McDougall: Earthdawn 3e Player's Companion S. 93, RedBrick Ltd. 2009
Michael Baragwanath: Hyroglyphen

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