Ein Magiebaukasten für Beutelschneider

30.05.2019
Erst vor kurzem habe ich vollmundig postuliert, dass der heilige Design-Gral eines universellen Rollenspiel-Magiebaukastens eigentlich gar nicht so problematisch ist – wenn man ihn nicht für jedes Regelsystem aufwändig separat basteln müsste. Um es nicht bei der grauen Theorie zu belassen, versuche ich mich also an einem solchen Magiegerüst für ein das wunderbar schlicht gehaltene Beutelschneider von d6ideas.


Beutelschneider und die Magie
Dabei ist ein Magiesystem für Beutelschneider gar nicht mal notwendig – für den von mir moderierten Karneval der Rollenspielblogs zum Thema „Systeme der Magie“ haben d6ideas bereits die angemessen reduzierte Magie des Goldes beigetragen. Einen Versuch ist es mir dennoch wert, um mal meinen eigenen Ansatz rund um einen universellen Magiebaukasten in dieses System zu überführen. Kurz zusammengefasst behaupte ich, dass jedes Rollenspiel-Magiesystem im Kern aus folgenden mechanischen Kerneffekten besteht, die unabhängig von ihrer Beschreibung am Spieltisch sind:


  • Attributssteigerung / -senkung
  • Fertigkeitssteigerung / -senkung
  • Schaden zufügen / heilen

Die Umsetzung auf magische Effekte verläuft zudem angenehm analog zu den aktuellen Grundregeln „An den Opferfelsen gekettet“, die den Probenmechanismus sowie die Effekte für Schaden und Heilung in wenigen Sätzen umschreibt. Die Ressourcen selbst, die in Beutelschneider durch magische Effekte manipuliert werden können, und auch die Kostenfaktoren dafür erweisen sich als angenehm übersichtlich:

  • Anzahl zu ziehender Murmeln
  • Farbe einer Murmel
  • Schwierigkeitsgrad einer Herausforderung

Also genug der Analyse, auf zu den eigentlichen Regeln.




„Im Steinbruch“ – Ein Magiebaukasten für Beutelschneider
Um einen der folgenden Zauber zu wirken, muss ein Charakter eine Sehr Einfache Herausforderung bestehen, zieht also 5 Murmeln aus seinem Beutel. Ist mindestens 1 Murmel blau, ist der Zauber gelungen. Zusätzliche blaue Murmeln haben keine Auswirkung.

  • Schaden: 1 Charakter tauscht 1 zufällige Murmel aus seinem Beutel gegen 1 schwarze Murmel aus.
  • Heilung: 1 Charakter tauscht 1 schwarze Murmel aus seinem Beutel gegen 1 zuvor herausgenommene Farbige Murmel aus.
  • Inspiration: 1 Charakter zieht bei einer Herausforderung 1 Murmel mehr.
  • Geistesblitz: 1 Charakter darf bei einer Herausforderung 1 Murmel direkt heraussuchen.
  • Verwirrung: 1 Charakter muss bei einer Herausforderung 1 Murmel weniger ziehen.
  • Füllhorn: 1 Charakter erhält 1 Münze.

Jeder Zauber kann auf zwei Arten verstärkt werden, die auch mehrmals angewendet werden können:
  • Der Effekt tritt ein zusätzliches Mal ein.
  • Der Zauber betrifft einen zusätzlichen Charakter.
Jeder solche Zusatzeffekt erhöht die Schwierigkeit um 1 Stufe, so dass also 1 Murmel weniger gezogen wird, ob der Spruch gelingt. Dies bedeutet auch, dass jeder Zauber maximal vier Modifikationen erhalten kann.



Ein Beispiel
Ein Hexenmeister erfüllt drei Soldaten mit astraler Energie, auf dass sie in einem Scharmützel mit Aufständischen obsiegen. Er wirkt den Spruch „Geistesblitz“, durch den einer der drei Kämpfer eine Murmel direkt aus seinem Beutel wählen darf. Der Hexenmeister verstärkt den Spruch aber, so dass er auf alle drei Soldaten zugleich wirkt. Dadurch erschwert sich die Schwierigkeit des Zaubers von Sehr Einfach um zwei Stufen auf Gewöhnlich.
Zudem sollen die Streiter in ihrer Kampfkraft noch weiter verstärkt werden, so dass jeder also zwei Murmeln direkt wählen darf. Dies erhöht die Schwierigkeit ein weiteres Mal auf Schwer.
Der Hexenmeister zieht also zwei Murmeln: Eine rote und eine blaue. Der Zauber gelingt, und die drei Soldaten schwingen von übernatürlicher Kraft geführt zielsicher ihre Schwerter.


Gedanken am Rande

Das obige Beispiel zeigt, dass einerseits die Effekte eines Zauberspruchs sehr schnell anwachsen können, andererseits aber die Erfolgswahrscheinlichkeit ähnlich flugs sinkt. Ob dieses Verhältnis gut ausbalanciert ist, muss sich erst noch zeigen – vielleicht ist es aber eine Überlegung wert, die grundsätzliche Schwierigkeit direkt von Sehr Einfach (5 Murmeln) auf Einfach (4 Murmeln) zu erhöhen.


Beutelschneider-Magie und ihr Pendant in der Erzählung
Auf den ersten Blick scheint mein Beutelschneider-Magiebaukasten gar nicht sehr weit entfernt von der Magie des Goldes. Aus nur einem Sprucheffekt werden bei mir immerhin sechs, dazu gerade einmal variierbar um zwei zusätzliche Parameter. Komplexer, sicherlich, aber immer noch übersichtlich.

Einen großen Unterschied macht es aber darin, wie diese mechanischen Effekte dann in die Erzählung am Spieltisch eingebunden werden. Die Magie des Goldes ist betont subtil und langsam – schließlich gibt es keine sofortige Auswirkung, sondern nur eine vergrößerte Ressource (Münzen) für den späteren Einsatz, was eine erzählerische Umsetzung durch alchemistisches Gebräu, Weissagungen oder Verzauberungen nahelegt. Mein Steinbruch-Baukasten bedient eher die klassischen spontanen Effekte, mit mehr oder weniger großem Brimborium drum herum und direkter Auswirkung.

Funktional sind sicherlich beide Fassungen, und hier zeigt sich wohl wieder der schlichte Charme von Beutelschneider, dass das System flexibel genug für beide Auslegungen ist.




Dieser Artikel ist ein Beitrag zum Karneval der Rollenspielblogs im Mai 2019 mit dem Thema "Systeme der Magie". Die Moderation liegt bei mir auf Spiele im Kopf, alle Beiträge des Monats werden zudem in diesem Thread des Forums der Rollenspielblogs aufgelistet.


Illustrationen

Sakonige: "Rainbow"
Yokufo: "Marbles Collection" (Ausschnitt)

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