Einstieg ins Rollenspiel I: Spielbücher

08.01.2013
Oft wird lamentiert, unser Rollenspielhobby leide unter mangelndem Nachwuchs; und auch ich mit meinen einundvierzig Lenzen zähle weniger zum alten Eisen als fast eher zum oberen Altersdurchschnitt. Aktionen wie der kommende Gratisrollenspieltag locken mit Einsteigerregeln und Ladenrunden zum Ausprobieren, um diverse aktuelle Systeme dem unbedarften Neuling näher zu bringen.

Ich denke allerdings, daß für einen Einstieg in dieses Hobby gar nicht mal mehr oder weniger komplexe Regelwerke, sondern im Kern nur zwei schlichte Erkenntnisse vermittelt werden müssen. Die eine davon ist die Einsicht, daß man im Gegensatz zu anderen Medien selbst entscheiden kann, wie die Geschichte verläuft - und in meinen Augen geht dies bereits im späten Grundschulalter hervorragend mit den klassischen Abenteuer-Spielbüchern.


Über Spielbücher
Im Gegensatz zu herkömmlicher Literatur sind Spielbücher in nummerierte Abschnitte unterteilt. Die Geschichte beginnt bei der 1 und stellt den Leser vor die Wahl, wie der Protagonist die ihm gestellten Herausforderungen angehen soll. Dementsprechend fährt der Leser mit seiner Lektüre bei dem angegebenen Abschnitt fort. Die Geschichte endet entweder mit der erfolgreichen Auflösung - meist im letzten der nummerierten Abschnitte - oder vorab mit dem Scheitern des Helden.

Oft sind in der Einleitung auch rudimentäre Regeln für die Attribute des Helden sowie ein schlichtes Kampfsystem beigefügt. Einige Spielbücher stellen auch eine begrenzte Anzahl an Sonderfertigkeiten oder Zaubersprüchern zur Auswahl, die in gewissen Abschnitten die Lösung vereinfachen. In Form von Soloabenteuern publizierten in der Vergangenheit auch diverse Pen-and-Paper-Systeme wie etwa Das Schwarze Auge derartige Bücher, in denen man aus der eigenen Gruppe bekannten Regeln und seinen Charakter einsetzen konnte.

Wegen der überlicherweise aber doch eher schlichten Regeln und trotz der mannigfaltigen Entscheidungsmöglichkeiten mitunter doch recht gradlinigen Geschichten sollten Kinder um zehn Jahre bereits kein Problem mit einem Spielbuch haben. Zudem kann sich der junge Leser allein mit seinem Abenteuer beschäftigen, da ja im Gegensatz zum Pen-and-Paper-Rollenspiel eben keine Gruppe von Spielwilligen vonnöten ist. Sollte vielleicht die nötige Lesesicherheit noch nicht vorhanden sein, so muss zur Not halt ein Elternteil die einzelnen Abschnitte vorlesen.

Hatten diverse Serien von Spielbüchern ihren Höhepunkt Mitte der 80er bis in die frühen 90er Jahre, so gibt es auch heute noch ein umfangreiches Angebot an solchen Werken für den deutschsprachigen Markt. Insbesondere der Mantikore-Verlag tut sich hierbei hervor, der viele dieser alten Serien wie etwa Einsamer Wolf oder Sagaland in einer oft überarbeiteten Version wieder veröffentlicht.


Einsamer Wolf
Die umfangreiche Serie von Joe Dever, im englischen Original begonnen 1984, umfasst derzeit 29 Bände, von den 12 derzeit auf deutsch beim Mantikore-Verlag erhältlich sind. Die restlichen Werke sollen in den kommenden Jahren ebenfalls übersetzt werden.

Obwohl die jeweiligen Bände einzeln spielbar sind, ergeben sie in Reihenfolge gelesen die grosse Geschichte über den letzten Überlebenden der Kai-Mönche und seinen Kampf gegen die dämonischen Schwarzen Lords. Auch kann der eigene Held über die verschiedenen Bände wachsen und in späteren Geschichten von in vorigen Abenteuern gewonnener Ausrüstung profitieren.

Zudem ist zum Einsamen Wolf noch ein Mehrspielerbuch samt derzeit vier Quellenbänden erhältlich, um die Abenteuer der Kai-Lords dann eben doch in der Gruppe erleben zu können. Die Regeln orientieren sich an dem schlichten Vorbild der Solobücher mit nur zwei Attributen und einigen Sonderfertigkeiten und sind somit ebenfalls für den Rollenspielnachwuchs gut geeignet.


Legenden von Harkuna
Die Serie "Fabled Lands" der englischen Autoren Dave Morris und Jamie Thomson erschien bereits zwischen 1997 und 1999 bei Ravensburger unter dem Titel "Sagaland" auf deutsch. Die ursprünglich auf zwölf Bände angelegte Serie schaffte es nur auf sechs Veröffentlichungen, seit 2011 erscheint sie als "Legenden von Harkuna" auf deutsch - ebenfalls beim Mantikore-Verlag.

Während die meisten Spielbücher einer festen Geschichte und miteinander verknüpften Aufgaben folgen, bewegt sich der Held in den Harkuna-Büchern völlig frei und kann forschen, trainieren und sogar Handel treiben oder zwischen Regionen - ein Band entspricht jeweils einer Region - reisen.



Reiter der Schwarzen Sonne
Zur Spiel 2012 erschien ebenfalls beim Mantikore-Verlag "Reiter der Schwarzen Sonne" von Swen Harder. Mit 1.355 Abschnitten ist die Geschichte um den Meister der Nacht, der ohne Erinnerung nach einer Bluttat erwacht, das bisher größte veröffentlichte Spielbuch. Neben diversen Kämpfen bietet das Werk zusätzliche Abwechslung durch Rätsel und Labyrinthe; wegen seines Umfangs bekommt man auch die Option, bei Scheitern zu bestimmten Sektionen zurückspringen zu dürfen und so eben nicht von vorn beginnen zu müssen.






Abenteuer Weltgeschichte
Als letzte Reihe von Spielbüchern der 1980er veröffentlicht der Mantikore-Verlag auch die Reihe "Real Life Gamebooks" von Jon Sutherland und Simon Farrel. Die insgesamt acht Bände erscheinen in deutscher Fassung seit 2011 und spielen jeweils vor einem geschichtlichen Hintergrund wie etwa der französischen Revolution, dem Schicksal der Spanischen Armada oder der Invasion der Normannen in England. Wegen des historischen Kontexts ist diese Serie aber wohl eher für ein älteres Publikum geeignet als die von mir als Neueinsteiger anvisierten Viertklässler.





Die Welt der 1000 Abenteuer
Deutlich an ein Publikum im Grundschulalter wendet sich dagegen die Reihe "Die Welt der 1000 Abenteuer" von Jens Schumacher bei Schneiderbuch. Textumfang und -stil sind an diese Zielgruppe angepasst; und auch die Geschichten selbst legen den Fokus weniger auf den bewaffneten Konflikt, sondern auf das geschickte Austricksen von Widersachern. Derzeit sind acht dieser als interaktive Fantasy-Abenteuer beworbenen Geschichten erhältlich.







Noch zu kriegen: Die Zwerge/Ulldart
Von 2005 bis 2010 erschienen schrieb Markus Heitz, zum Teil in Kooperation mit Nicole Schuhmacher und Sonja Rüther zwei jeweils dreiteilige Spielbuchreihen zu seinen Romanserien "Die Zwerge" und  "Ulldart". Beide Reihen erschienen bei Pegasus Press und sind derzeit noch für kleines Geld zu finden.
Beide Reihen sehe ich aber eher für ältere Einsteiger geeignet, lebt die Serie doch zu einem gewissen Teil von der Kenntnis der Romane.







Der Urvater: Fighting Fantasy
Die andere große Serie neben Einsamer Wolf, die dem Konzept der Spielbücher zu seinem großen Erfolg verhalf, war "Fighting Fantasy" von Ian Livingston und Steve Jackson. Und nein, letzterer Steve Jackson ist noch immer nicht der amerikanische Erfinder von Munchkin, sondern der Brite, der bei Games Workshop involviert war.
Ursprünglich von 1981, erschienen im englischen Original ganze 59 Bände, die auch seit 2002 auf der Insel nach und nach wieder aufgelegt werden. Auf deutsch wurden zwar 16 Bücher bis 1990 zuerst bei Thienemann, später bei Goldmann veröffentlicht, eine Neuauflage allerdings ist nicht in Sicht - schade eigentlich, war doch der zweite Band "Die Zitadelle des Zauberers" mein persönlicher Einstieg in dieses Hobby.


Spielbücher sind nur der Anfang
Bezeichnenderweise teilen auch andere Blogger meine Ansicht, dass Spielbücher einen guten Einstieg in das Hobby darstellen - wie man etwa auf den Blogs Weltensprinter und StoriesAndCharacters nachlesen kann.

Natürlich werde ich auch bei meinen beiden Zwillingsjungs versuchen, über die Lektüre von Spielbüchern ein Interesse am obskuren Zeitvertreib ihres Vaters zu wecken. Da die beiden im Februar aber gerade einmal vier Jahre alt werden, werde ich damit noch ein wenig warten müssen. Und Spielbücher sind auch nicht die einzige Rollenspiellektüre, mit der ich die beiden überraschen will.

Wie eingangs postuliert, ist das Entdecken einer Geschichte, die sich aufgrund der eigenen Entscheidungen entfaltet, nur ein Element, das ich für Neueinsteiger ins Rollenspielhobby als notwendig erachte. Im zweiten Teil werde ich einen genaueren Blick auf di schlichten Erzählspiele "Happy Birthday Robot" und "Do: Pilgrims of the Flying Temple" werfen, mit deren Hilfe schon ein junges Publikum lernen kann, sich gemeinsam eine Geschichte auszudenken.



Dieser Artikel ist Teil des Karnevals der Rollenspielblogs im Monat Januar über den Einstieg ins Rollenspiel. Die Moderation liegt bei Ludus Leonis, alle Beiträge des Monats werden zudem in diesem Thread des Forums der Rollenspielblogs aufgelistet.


BildnachweiseDie Produktbilder in diesem Artikel stammen vom Mantikore-Verlag, Schneiderbuch, Pegasus Press und www.txtbank.de.

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