[Rezension] Love Letter

14.01.2013
Im Stadtstaat Tempest versuchen die jungen Männer des Adels Prinzessin Annette zu beeindrucken. Leider hat die junge Thronfolgerin sich in den Palast zurückgezogen, so daß die hoffnungsvollen Freier andere Wege finden müssen, damit ihre Liebesschwüre in die Händer der Angebeteten geraten.

Hinter dieser Geschichte steckt das minimalistisches Kartenspiel Love Letter des Verlags Alderac Entertainment Group, dem vierten aus der Tempest-Reihe, die allesamt in dieser Stadt spielen und das Schicksal ihrer Figuren weitererzählen. Love Letter kommt dabei für 2 bis 4 Spieler mit gerade einmal 16 Spielkarten und ein paar Holzmarkern aus.


Eine Herausforderung an das Spieldesign
Wie Autor Seiji Kanai in seinem Entwicklertagebuch selber schreibt, wurde Love Letter im Jahr 2010 auf der japanischen Game Market Trade Show inspiriert, als Designer Takuya Saeki seine Kollegen dazu herausforderte, ein Spiel mit einem Verkaufspreis von nur 500 Yen - umgerechnet etwa 4,40 Euro - zu entwickeln. Kanai entschied sich, zur Erfüllung dieses Ziels die Zahl der Komponenten zu reduzieren und nutzte das günstige Angebot einer Druckerei, die einen Druckbogen mit eben genau 16 Karten anbot.


Das Produkt
In der finalen englischen Fassung von Alderac, die für etwa 8 bis 9 Euro im Handel erhältlich ist, findet sich dann aber doch etwas mehr als nur 16 mal bedrucktes Papier. In der handlichen Sichtverpackung lockt ein ansprechendes rotes Samtsäckchen, auf das in gelb der Spieltitel Love Letter gestickt ist. Darin werden neben den erwähnten 16 Spiel- auch 4 Übersichtskarten aufbewahrt, dazu ein kleines Ziptütchen mit 13 roten Holzmarkern und die obligatorische Anleitung.


Die Regeln
Ähnlich minimalistisch wie das Material präsentieren sich auch die Spielregeln (pdf). Die 16 Karten mit Werten von 1 bis 8, die die verschiedenen Personen bei Hofe darstellen, werden gemischt und 1 (bei zwei Spielern weitere 3) verdeckt beiseite gelegt. Jeder Spieler erhält 1 Karte auf die Hand. Ist man am Zug, so zieht man eine weitere Karte und sucht sich dann 1 dieser beiden Handkarten aus, die man offen ablegt. Dadurch wird der indivuelle Spieltext der Karte ausgelöst: Sei es bespielsweise, einen Gegner durch richtiges Erraten seiner Karte zum Ablegen zu zwingen, die Handkarte mit einem Gegner zu tauschen oder sich vor den Effekten anderer Spieler zu schützen.


Die Runde verläuft dann weiter im Uhrzeigersinn, bis nur noch ein Spieler mit einer Handkarte übrig ist oder keine Karte mehr nachgezogen werden kann. Die verbleibenden Spieler decken dann ihre verbleibende Handkarte auf; derjenige mit der höchstwertigen Karte hat die Runde gewonnen. Dafür, dass er seinen Brief der einflussreichsten Person bei Hof anvertrauen konnte, erhält er einen der Holzmarker, im englischen passend "Token of Affection" genannt.

Das Spiel endet, sobald ein Spieler eine bestimmte Anzahl an Markern gewinnen konnte; abhängig von der Teilnehmerzahl zwischen 4 und 7. Er konnte die meisten Liebesschwüre in die Hände der Prinzessin lotsen, und somit gehört das Herz der holden Maid ihm.


Wie es sich spielt
Obwohl Love Letter schon mit zwei Personen spielbar ist, so offenbart es seinen Charme doch erst bei drei oder besser vier Teilnehmern. Das Abwägen der einzelnen Widersacher, Abschätzen der noch im Spiel befindlichen Karten und ständige Bluffen, um möglichst eine hohe Handkarte bis zum Rundenende zu retten, entfaltet erst bei dieser Spielerzahl richtig seinen Reiz.

Wie bei den wenigen Komponenten nicht anders zu erwarten, verläuft eine Partie sehr schnell. Auch das gelegentliche Auscheiden aus einer Runde, weil vielleicht die eigene Handkarte erraten wurde, wird nicht als störend empfunden, weil man nach nur kurzem Warten wieder einsteigen und in der Zwischenzeit dennoch weiter versuchen kann, die Bluffs der verbleibenden Mitspieler zu durchschauen. Die auf der Packung angegebene Spieldauer von etwa 20 Minuten wird jedenfalls kaum überschritten, so dass sich Love Letter als hervorragender Einstieg oder Absacker bei einem Spieleabend eignet.

Derzeit ist Love Letter nur auf englisch oder japanisch erhältlich, allerdings reicht es aus, wenn ein Spieler mit den Regeln vertraut ist. Die kurzen Übersichtskarten lassen sich ebenfalls schnell übersetzen.


Fazit
Für mich als Liebhaber kompakter Spiele mit schlanken Regeln war Love Letter sowieso eine der Pflichtanschaffungen auf der Spiel 2012. Die wenigen Komponenten sind nicht nur ansprechend gestaltet, auch das Spiel selbst offenbart trotz dieses Minimalismus erstaunlich viel Tiefe. Nimmt man hierzu noch den attraktiven Preis von unter 10,- Euro, so kann ich Love Letter bedenkenlos weiterempfehlen.

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