Wie jedes Jahr im August widmet sich eine Handvoll Blogger einer Alternativ-Aktion zum RPG-a-Day. Bereits im Vorfeld hat man sich für 2025 auf das Thema "Geschichte" geeignet; und ich habe mich für meine erstes thematische Aufzählung betont obskuren Ereignissen rund um Tiere gewidmet.
Geschichte und wie andere sie umsetzen
Obwohl ich dieses Jahr schon vor geraumer Zeit eingeladen wurde, an der Themenfindung mitzuwirken, habe ich mit der Aufbereitung des diesjährigen Mottos “Geschichte” so schwer getan, dass ich doch erst sehen wollte, wie andere Blogs die Aufgabe angehen.
Der Kritische Fehlschlag etwa arbeitet jede Inspiration aufwendig mit Spielwerten aus, d6ideas verwandelt geschichtliche Vorlagen in knapp geschriebene Welten für SLA Industries und die Ogerhöhle hat ihre Sammlung von Zufallstabellen und Spielwerten leider nach wenigen Beiträgen unterbrochen.
Nicht zuletzt, weil private Umstände mich für einen großen Teil des Augusts beschäftigt hielten, beschränke ich wiederum mich darauf, aus - mitunter recht eigenwilligen - historischen Begebenheiten grobe Ideen für eine Interpretation im Rollenspiel vorzustellen, die die geneigten Leser vielleicht weiter ausbauen wollen.
Wie in den vergangenen Jahren verzichte ich darauf, meinen Blog mit 31 Einzelartikeln vollzustopfen, sondern präsentiere drei Textwüsten mit thematischem Überbau. Beginnen wir also mit dem ersten Block “Tierisches”, denn nicht nur wir Primaten haben unsere Spuren in der Historie hinterlassen.
1 Unsinkable Sam
Im Zweiten Weltkrieg soll die Katze Oscar den Untergang dreier Kriegsschiffe überlebt haben. Nachdem die Bismarck im Mai 1941 versenkt worden war, fand der britische Zerstörer HMS Cossack das Tier auf einem Brett treibend und adoptierte es als Schiffskatze mit dem neuen Namen Sam. Nur ein halbes Jahr später wurde auch dieses Schiff von einem deutschen U-Boot schwer beschädigt und sank zwei Tage später. Die Katze überlebte auch diese Katastrophe und gelangte auf den Flugzeugträger Ark Royal, der auch schon mehrere Angriffe überstanden hatte und als glückhaftes Schiff galt. Nachdem aber auch dieser im November von einem U-Boot versenkt wurde und Oscar erneut überlebte, ließ man ihn auf kein Schiff mehr. Während diverse Internetseiten Unsinkable Sam als Kuriosum der Geschichte präsentieren, bezeichnet Wikipedia ihn als erfunden. Sei's drum, die Legende ist trotzdem inspirierend.
[Quelle: Wikipedia]
Umsetzung in Shadowrun: Das Cyberfantasy-Setting kennt Katzengeister und ihre Schamanan. Der unsinkbare Sam wäre hier ein Geist, den seine Neugier immer wieder zu Häfen und Schiffen treibt, dessen intuitive Magie aber dafür sorgt, dass er nie mit Wasser in Berührung kommt. Schamanen könnten versuchen, diese Eigenschaft von ihm gewährt zu bekommen, und selbst Laien könnten im Fall eines Unglücks nahe bei dem Katzengeist bleiben.
2 + 3 Ein Bär im Dienst der polnischen Armee
1942 gelangte ein einjähriges, von seiner Mutter verlassenes Bärenjunges zu im Iran stationierten polnischen Soldaten. Das auf den Namen Wojtek getaufte Maskottchen der Einheit wurde schließlich zum Soldaten samt Rang, Dienstnummer und Soldbuch befördert, damit es im April 1944 Zugang zu einem britischen Transportschiff konnte. Bei der Schlacht um Monte Cassino beförderte Wojtek schwere Munitionskisten; nach dem Krieg verbrachte er den Rest seines Lebens im Zoo von Edinburgh, wo er 1963 starb.
[Quelle: Wikipedia]
Variante 1 - Umsetzung in generischer Fantasy: Die Armee eines Landes hat die Eigenart, dass alle militärischen Einheiten sich ein Maskottchen suchen und in ihre Reihen aufnehmen müssen. Dessen Eigenschaften und Fähigkeiten übertragen sich auf magische Weise auf die Soldaten des Trupps. Während gewöhnliche Tiere wie Bären ob ihrer Stärke, Eichhörnchen ob ihres Geschicks oder sogar Stinktiere wegen ihrer Verteidigungsmöglichkeiten gerne gewählt werden, sind magische Kreaturen am begehrtesten.
Variante 2 - Umsetzung in generischer Fantasy: Verurteilte Schwerverbrecher werden in Tiere verwandelt, die dann an die Front geschickt werden. Man sieht darin vor allem Vorteile: Derart transformierte begehen keine menschlichen Verbrechen, sie desertieren nicht, und sie können (je nach Art) auch mehr oder weniger leicht unter Kontrolle gehalten werden.
4 + 5 Der Fleischschauer von Kentucky
Im März 1876 regnete nahe dem Ort Rankin auf einer Fläche von etwa 100x50 Yards rotes Fleisch vom Himmel. Die Brocken von durchschnittlich 5x5 Zentimetern erwiesen sich als frisch und sollen nach Wild geschmeckt haben. Als plausibelste Erklärung werden Geier genannt, die sich in großer Höhe übergeben haben sollen.
[Quelle: Wikipedia]
Variante 1 - Umsetzung in generischer (Low) Fantasy: Armeen halten Aasfresser, um einerseits Abfälle zu entsorgen, andererseits diese bei Belagerungen über den Stellungen des Feindes zu erbrechen und so Krankheiten zu ihm zu tragen.
Variante 2 - Modern/Mystery: Ein galaktischer, wenn nicht sogar multidimensionaler Konzern nutzt hier ein Wurmloch zur Abfallentsorgung. Abgesehen davon, dass der Durchgang von der Seite der Abenteurer aus eine äußerst unangenehme Angelegenheit sein dürfte, erwartet die Recken auf der anderen Seite wahrscheinlich ein ziemlicher Kulturschock.
6 Der Große Emukrieg
Bei ihren Herdenwanderungen im Jahr 1932 aufgrund anhaltender Trockenheit verursachten die Tiere auf den Feldern von Siedlern, ehemaligen Soldaten der Ersten Weltkriegs, erheblichen landwirtschaftlichen Schaden. Ihre Proteste führten schließlich dazu, dass Soldaten mit Maschinengewehren eingesetzt wurden, um der Plage Herr zu werden. Die Tiere erwiesen sich aber zu zäh und zu schnell, so dass von etwa 20.000 Emus nur wenige Hundert erlegt wurden.
[Quelle: Wikipedia]
Umsetzung in Earthdawn: Ein frisch geöffnetes Kaer hat banale Probleme mit der lokalen Fauna und setzt Prämien auf erlegte Tiere aus. Analog zum Emukrieg sind es aber keine übermächtigen Kreaturen, sondern einfache Tiere, die eigentlich keine große
Herausforderung darstellen sollten. Blutbienen, die ja eigentlich als Bestäuber willkommen sind, könnten die Bauern traktieren; Blutraben könnten wegen ihrer hohen Intelligenz alle schlichten Abwehrmassnahmen der Farmer umgehen. Aus einer Herde von Genhis könnten die Jungen auf den Äckern ausnahmsweise genug Nahrung finden, so dass sie sich nicht wie sonst üblich gegenseitig dezimieren, sondern die Felder abgrasen und den Rest rücksichtslos zertrampeln.
7 Tiermumien der Apokalypse
Im alten Ägypten war es üblich, auch Tiere als Mumien zu bestatten. Dies galt insbesondere für Kreaturen, die mit den Göttern in Verbindung gebracht wurden, wie etwa dem ibisköpfigen Thot, Gott von Weisheit und Magie, oder Bastet, katzenköpfiger Göttin von Fruchtbarkeit, Freude und Tanz; aber auch des Schutzes vor bösen Mächten, insbesondere für Schwangere und Kinder.
[Quelle: Wikipedia / Wikipedia]
Umsetzung in moderner Fantasy / Mystery: Und wieder wird die Welt von einer Zombie-Apokalypse heimgesucht, als altägyptische Mumien der oben genannten Tiere sich erheben. Tatsächlich aber sind die toten Kreaturen auferstanden, um die Schutzfunktion der von ihnen verkörperten Götter auszuüben, denn in Wirklichkeit lauert ein viel mächtigeres, übernatürliches Unheil auf die Menschheit. Die Einbindung es überstrapazierten Cthulhu-Mythos ist optional.
8 Die Tsavo-Menschenfresser
Im Jahr 1898 töteten zwei Löwenmännchen in der Tsavo-Region mehrere Dutzend Arbeiter, so dass die Arbeiten an der Uganda-Bahnstrecke von Mombasa zum indischen Ozean unterbrochen werden musste und die Einheimischen in ihrem Aberglauben von “Teufeln in Löwengestalt” zu reden begannen.
[Quelle: Wikipedia]
Umsetzung in DnD Eberron: Der Ausbau der Blitzbahn auf dem Kontinent Khorvaire ist ein anhaltendes Projekt der großen Häuser. Während Eberron DnD-typisch schon genügend fantastische Monstrositäten kennt, die hier im Weg sein können - die als Reittiere genutzten Dinosaurier sind das beste Beispiel - können eben auch gewöhnliche Bestien den Bauarbeitern das Leben schwer machen. Da Khorvaire zudem das ehemalige Königreich Cyre, heute bekannt als das Klagsland (“The Mournlands”) kennt, ist es durchaus denkbar, dass man abergläubisch die Ereignisse so interpretiert, dass die dortigen Erscheinungen sich nun ausbreiten.
Diese Variante könnte man beispielsweise in mein uraltes Blitzbahn-Szenaio “Blitzzug nach Vulyar” einbauen.
9 Der Schraubenwurmwall in Panama
Die in Südamerika beheimatete Schraubenwurmfliege legt ihre Eier in offene Wunden von Warmblütern, die sich dann vom Fleisch des Wirtes ernähren. Da dies mit zunehmend größeren Herden in den südlichen USA und Mexiko zu signifikanten Schäden führte, begann man in den 1950ern, die Fliegenpopulation künstlich zu begrenzen: Männchen werden leicht radioaktiv bestrahlt, damit sie weiter um die Weibchen buhlen, aber keine Nachkommen zeugen können. Jährlich werden Millionen solcher steriler Fliegen über dem schmalen Landstreifen von Panama abgeworfen, um eine Ausbreitung nach Norden zu verhindern.
[Quelle: Wikipedia / YouTube]
Umsetzung in Shadowrun: Nicht nur gibt es unter den Crittern Insekten wie die Ghede-Fliege, deren Weibchen bewusst das Blut von Metamenschen konsumieren, auch bietet die Magie neue Wege zur Schädlingsbekämpfung. Sei es durch großflächige Zauber zur Verwirrung, Verfluchungen in einem millionenfachen Maßstab, oder zur arkanen Überladung der Eier. Denkbar ist aber auch ein Schurke, der auf diesem Wege eine neue Bedrohung heranzüchtet.
10 Was von der Recherche übrig blieb
Einige andere Ereignisse klangen noch nach einigem Potential, konnten aber wegen des erwähnten Zeitmangels nicht von mir umgesetzt werden. Vielleicht gereicht dem geneigten Leser ja die Originalquelle, um die Fantasie anzuregen:
Operation Cat Drop
Der Schweinekonflikt zwischen Großbritannien und den USA
Bildquellen
Unsinkable Sim von Grunge
Wojtek von Wikimedia Commons
Ibis-Mumie von Wikimedia Commons
Schraubenwurmfliege von Wikimedia Commons
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