Blog-O-Quest #35 – Visionen

26.08.2018
Die Blog-O-Quest im August 2018 widmet sich Visionen, Weissagungen, Vorhersagen und weitblickenden Zukunfsentwürfen und ihrem Bezug zum Rollenspiel.



  1. Was haltet ihr von Visionen und Prophezeihungen als Stilmittel/Questhook für Rollenspielabenteuer?
    Visionen finde als Element im Rollenspiel sehr, sehr heikel. Die Unabwendbarkeit der prophezeiten Geschehnisse beisst sich direkt mit der freien Entfaltung der Geschichte durch die Taten der Spielfiguren; deshalb braucht es äußerstes Fingerspitzengefühl beim Formulieren der Weissagung, um nicht später die Taten der Spieler mit dem Holzhammer in die gewünschte Richtung biegen zu müssen.

    Darin liegt wohl auch die Genialität der in dieser Blog-o-Quest schon oft angesprochenen Prophezeiungen des Nostria Thamus in DSAs legendärer Kampagne um die Sieben Gezeichneten: Auf der einen Seite umschreiben diese Ereignisse des berühmt-berüchtigten Metaplots, auf dessen Verlauf die Spieler eh keinen Einfluss haben. Zum anderen sind die Passagen, die direkt die Gezeichneten und damit die Spieler angehen, schlichte Funde von Gegenständen und vergleichbaren Symbolen, die eben *nicht* von spezifischen Taten abhängig sind. Wahrlich gekonnt gelöst und damit eben bis heute das Paradebeispiel für Prophezeiungen im Rollenspiel, zumindest im deutschsprachigen Raum.
     
  2. Für Spielleiter: Habt ihr in einem Abenteuer die Spielercharaktere mit einer Vision konfrontiert und wenn ja, wie hat sich das Spiel entwickelt? Wenn nein, wieso nicht?
    Als Spielleiter eingesetzt habe ich Visionen noch nicht, aus den oben genannten Vorbehalten.

    Für Spieler: Habt ihr im Spiel schon eine Vision/Prophezeihung erlebt? Wenn ja, wie hat euer SL das gestaltet? Wenn nein, würdet ihr euch so etwas wünschen?
    Als Spieler sind sie mir bisher auf zweierlei Weise begegnet. Eine taugt nur als Randnotiz, nämlich die magische Disziplin des Diviners im Wuxia-Rollenspiel Qin: The Warring States. Besonders spielenswert fand ich diesen aber nicht, da seine Magie eben arg speziell ist und vom Spielleiter auf den Wahrsager zugeschnittene Abenteuer verlangt hätte - übrigens ein Problem bei den meisten Magiewirkern in Qin.


    Die andere liegt schon Jahre zurück, als ich in einer von damaligen Spielleiter entworfenen Welt auf Regelbasis von DnD3 einen Mönch des Schicksalsgottes spielte. Tatsächlich erhielt ich von Anfang an nur für mich sichtbare Zeichen wie ablaufende Sanduhren über den Köpfen von Mitspieöerfiguren oder direkte Einflüsterungen über bevorstehende Ereignisse. Zur Überraschung und zum Amüsement des Spielleiters stellte ich diese Weissagungen als treuer Gläubiger nie in Frage und erlaubte ihm so bereitwillig, einige geplante Ereignisse auch wie vorgesehen eintreten zu lassen. Dass meine Mitspieler diese Ergebenheit weniger lustig fanden, liegt wohl auf der Hand. Und um so größer war der Schock, als mein Mönch erfuhr, dass sämtliche Einflüsterungen eben nicht vom Schicksalsgott stammten, sondern von dessen Gegenspielerin, deren Pläne genau wie gewünscht aufgegangen waren.
     
  3. Welche Rollenspielmechaniken haltet ihr für eine wirklich visionäre Idee?
    Die Idee von einem Rollenspiel im Kartenformat finde ich schon seit Jahren faszinierend - aber leider verwechseln alle bisherigen Ansätze eine wirkliche Kartenmechanik mit tumben Notizzetteln, die einfach nur jeden Einzelposten eines Charakterbogens auf imdividuelle Karten aufteilen.

    Mein eigener Ansatz TriCard dümpelt auch schon seit langem vor sich hin, da die Abwicklung von Fertigkeiten anders verläuft als die von Kampf und Magie. Da müsste ich eigentlich dringend nochmal dran, denn die Grundkonzepte mit Symbolen und Bonuseffekten setzen bereits stimmig die Lehren um, die man aus modernen Kartenspielen ziehen kann.

    Nicht minder faszinierend finde ich das Murmelrollenspiel Beutelschneider - sei es wegen seiner schlichten, reduzierten Mittel, der Haptik oder seiner schier grenzenlosen Möglichkeiten zur Erweiterung, wie d6ideas regelmäßig beweisen.


     
  4. Welches Rollenspielsetting wäre eure Zukunfts-Horrorvision - und warum?
    My Little Pony / Tails of Equestria. Auch wenn mir schon zahlreiche Fans mit Y-Chromosom bereits bestätigt haben, dass die dazugehörige Serie ihre Meriten haben soll, so ist mir diese bonbonbunte Friede-Freude-Eierkuchen-Welt eben doch ein Gräuel. Warum aber muss diese Frage ausgerechnet um Horrorvisionen gehen? Es geht doch auch positiv, wie Gurps Transhuman Space mit seiner konsequent durchdachten Sicht auf das Jahr 2100 beweist - inklusive alltäglichem Gengeneering, Memetics und Terraforming des Mars.


      
  5. Wagt einen Blick in die Zukunft: Wie wird eure Rollenspiel-"Karriere" in zehn Jahren aussehen?
    Nun ja, meine langjährige Stammrunde ist dchon lange im Berufsleben angekommen und steht auch in dem zu prophezeienden Zeitraum noch eine Dekade vor der Rente - da sind keine großen Veränderungen zu erwarten. Interessanter ist natürlich die Prognose, ob ich das Hobby bis dahin erfolgreich an meinen aktuell neunjährigen Nachwuchs werde weitergegeben haben. Hoffentlich - bei ihrem Interesse an Papas ausufernder Brettspielsammlung ist hoffentlich ihr Blick ins benachbarte Rollenspielregal nicht mehr fern.

    Ansonsten wird hoffentlich dieses Blog auch noch etliche Jahre erhalten bleiben, solange mir die Ideen für Szenarien oder Spielkonzepte nicht ausgehen. Und mit sehr viel Glück findet auch mal wieder etwas seinen Weg zu einem Verlag, so wie vor geraumer Zeit geschehen mit Kaer Xipil.
     
  6. Bonusfrage: Blickt in die Zukunft eures Lieblings-RPGs - wie wird es sich entwickeln, was wünscht ihr euch?
    Damit wären wir also wieder einmal bei Earthdawn. Ich gehe davon aus, dass dieses wegen seiner treuen Fanbasis auch noch über Jahre publiziert wird, aber weiterhin ein Nischenprodukt in einem Nischenhobby bleiben wird. Auch eine Fünfte Edition würde mich in ferner Zukunft nicht wundern, aber leider sind klobige Kernkonzepte wie die Würfelstufen derart fest mit dem Spiel verbunden, dass ich keine zugänglichere Regelversion erwarte, die endlich das Publikum für dieses tolle Setting erweitern könnte.

    Zuletzt würde mich natürlich freuen, weiter mehr zu der Welt von Barsaive beitragen zu können - mein Kaer-Quellenbuch hat ja immerhin schon die Lektoratsphase erreicht.



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Bildquellen
"Diviner" aus Qin: The Warring States, Le 7éme Circle/ Cubicle 7 S. 114
"Tails of Equestria Erzählspiel", Ulisses Spiele
"Beutelschneider" von d6ideas

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