Blog-O-Quest 66: Religion

26.03.2021

In der aktuellen Blog-O-Quest stellt Timberwere die Gretchenfrage: "Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?". Auch wenn ich in meiner rollenspielerischen Vergangenheit keine faustischen Pakte geschlossen habe, gibt es da doch ein wenig zu erzählen.


  • Fangen wir an mit einer optionalen Startfrage zur Positionsbestimmung (wie gesagt, rein freiwillig!): Erachtest du dich selbst als Person für religiös, und wie stark?
    Knifflig. Habe ich in jungen Jahren gerne Jürgen von der Lippes Ausspruch "Früher war ich militanter Atheist, heute bin ich heiterer Agnostiker" zitiert, so setzt sich mit fortlaufendem Alter doch die kindliche Prägung aus dem katholischen Religionsunterricht durch. Vielleicht ist es einfach die unausgesprochene Hoffnung, dass sich die Prognose aus Walter Moers' "Schöner leben mit dem Kleinen Arschloch" eben NICHT bestätigt: "'Und was kommt danach?' fragen sie jetzt. 'Gibt es ein Leben nach dem Tode?'", heißt es da; um dann im nächsten Panel zu antworten: "Nein. Man stirbt, und das war's dann." Und obwohl ich selbst alles andere ein eifriger Kirchgänger bin, habe ich doch großen Wert auf die Taufe und den Kommunionsunterricht meiner beiden Sprösslinge gelegt.
     
  • Hat Religion in den von dir gespielten oder geleiteten Abenteuern häufiger mal eine Bedeutung oder eher wenig bis gar nicht? Falls ja, wie äußert sich das?
    Schmückendes Beiwerk, wenn ich ehrlich sein soll. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass die meisten Fantasyrollenspiele betonen, dass die Götter reale Entitäten sind, die auch direkt ins Leben der Sterblichen eingreifen können. Gerade DSA ist da ja ziemlich deutlich und hat mit dem alten Abenteuer "Der Jüngling am Strand" aus DSA2-Zeiten ja sogar ein Szenario, bei denen solche Begegnungen im Mittelpunkt stehen. Und vergessen wir nicht, dass DnD in seinen Anfangstagen Gottheiten verschiedener Pantheons mit üblichen Monster Stats versehen hat. In meinen Augen hat dieser im Rollenspiel verbreitete Ansatz, verstärkt durch die spröde Quantifizierbarkeit des Göttlichen in Form von Karmapunkten oder Zauberplätzen, aber leider die Konsequenz, dass das Mystische in der Religion, die individuelle Suche nach dem Ungreifbaren, verloren geht.
     
  • Hast du (als SC oder als NSC) schon einmal einen stark religiösen Charakter wie einen Priester, eine Nonne, einen Paladin oder dergleichen gespielt? Falls ja, gehörte der Charakter einer Mehrheits- oder eher einer Minderheitsreligion im bespielten Setting an?
    In Computerrollenspielen wähle ich bevorzugt den Paladin, denn ich bin gerne Der Held und Der Gute. Am Tisch übernehme ich zumeist die Funktion des Kämpfers, weil das schlicht die Nischenverteilung ist, die sich über die Jahre in unserer Runde etabliert ist. Priester wähle ich dort zumeist als Variation, um etwas mehr Tiefe hineinzubringen.
     
    So ist mein aktueller DnD5-Charakter Regin tatsächlich auch ein zwergischer Priester, wenn auch der Schmiededomäne und nicht direkt einer personifizierten Gottheit. Zudem macht sich im Spielgeschehen vor allem der Hintergrund als Adliger bemerkbar, von dem Regin einen selbstverständlichen Führungsanspruch ableitet. Die Laufbahn als Kleriker hat er, so habe ich mir gedacht, vor allem als Nicht-Erstgeborener einer wohlhabenden Familie gewählt, da er keinen Erbanspruch auf dieses Vermögen hat und somit, unpassend inspiriert vom europäischen Mittelalter, die Priesterschaft eine bewährte Alternative war.
     
    Geht man ganz zurück in meine alten Gymnasiumszeiten, so war mein erster Charakter zum sehr schnell abgebrochenen Vampire: The Masquerade ein Rabbiner der 8. Generation, der allerdings die Jahrhunderte seit seiner Erschaffung im Clan Tremere bis in die Neuzeit betäubt verschlafen hat und dann, weil der SL die Gruppe sehr, SEHR kurz an Ressourcen hielt, auch nur drei Sitzungen überlebte.
     
    Vor geraumer Zeit hat sich unsere Runde auch einmal an DSA1-Abenteuern mit dem Regelgerüst von DSA4 versucht, wo ich meine übliche Rolle als Krieger der Gruppe in Form eines Rondra-Geweihten aufgepeppt habe. Da aber die Kombination fast schon naiver DSA1-Abenteuer mit den übertrockenen hartwurstigen Regeln von DSA4 generell eine schlechte Idee ist, hat sich das in unserer Runde nicht sehr lange gehalten.

    Für zukünftige Kleriker/Priester im Tischrollenspiel wäre mal ein Paladin interessant, der nicht als moralinsaurer Schlächter all dessen agiert, was er selbstermächtigt und von oben herab für Böse erklärt, sondern als nachsichtiger Streiter, der inspirieren und andere zur Reflektion anspornen will. Wahrscheinlich würde ich das sogar an Captain America aus dem MCU anlehnen, der nämlich in den Filmen genau diese selbstlosen Aspekte verkörpert.
     
  • Sind deine „normalen“, also Nicht-Priester-Charaktere üblicherweise religiös oder eher nicht? Und falls ja, kommen ihre Überzeugungen im Abenteuer zum Tragen oder bleiben sie meist eher unerwähnt?
    Wenn überhaupt, dann eher als Aberglaube denn als religiöse Überzeugung. Am stärksten ist mir da noch in Erinnerung, in der ich vor geraumer Zeit bei DnD3-Wheel of Time (mal wieder) einen Krieger gespielt habe und dieser andauernd mit dem Zauberer der Gruppe aneinandergeriet. Immerhin soll ja alle Männer, die in diesem Setting Magie wirken, der Wahnsinn ereilen, und dessen stete Wille, Probleme mit Feuerbällen zu lösen, trug nicht gerade zur Vertrauensbildung bei. Aber ansonsten bleiben derartige Überzeugungen in meiner Runde, um die Formulierung der Fragestellung zu verwenden, meist eher unerwähnt.
     
  • Hast du schon Abenteuer gespielt oder geleitet, in denen die Charaktere direkt mit der Götterwelt des Settings interagiert haben? Sprich, sind in deinen Abenteuern schon Engel, Gottheiten und dergleichen selbst aufgetreten oder haben zumindest einen direkten Einfluss ausgeübt, und wie lief das?
    In einer vor langer Zeit gespielten (und trotz vieler Sitzungen nie abgeschlossenen) Kampagne auf Basis von DnD 3e mit vom Spielleiter geformter Welt habe ich den Mönch Morlim gespielt, einen Anhänger des Schicksalsgottes. Dass ich die Klasse des Mönchs vor allem deswegen gewählt hatte, weil ich diese zuvor noch nie ausprobieren konnte; und dass ich Morlim mehr als europäisch-mittelalterlichen Klostergänger denn Kampfkünstler nach asiatischem Vorbild angelegt hatte, sind hier nur überflüssige Details.
     
    Dem Gott des Schicksals jedenfalls war Morlim treu ergeben; nicht zuletzt deshalb, weil der Mönch seit dem ersten Spielabend Visionen und Hinweise empfing, die stets zu einem späteren Zeitpunkt zutreffen sollte. Diese Hingebung ging schließlich sogar so weit, dass der Spielleiter mir unverhohlen die Gefangennahme der Gruppe weissagen konnte und Morlim geduldig die Zeit bis dahin aussitzen würde - denn am Schicksal, einmal vorherbestimmt, ließ sich nicht mehr rütteln. Dass diese Visionen sich kurz darauf als gezielt von einer bösen Göttin geschickt und Morlim auch noch als deren Sprößling erweisen sollte, war für Charakter und mich als Spieler gleichermaßen ein Schock. Nie wieder im Rollenspiel fühlte ich mich derart verraten und verkauft, dabei war ich es doch selbst gewesen, der sich ohne zu hinterfragen jeder Offenbarung gefügt hatte.
     
  • Was hältst du von Rollenspielen, die in unterschiedlichsten Ausprägungen ganz direkt das Thema Religion zum Kerninhalt haben – Beispiele wären etwa „Dogs in the Vinevard„, „Engel„, „Doikayt“ oder dergleicben. Welche kennst du? Und reizt es dich, so etwas zu spielen, und warum ja bzw. warum nicht?
    Ich habe eine große Schwäche für die Steve-Jackson-Games-Ausgabe von "In Nomine". Im Gegensatz zum französischen Original, das sich doch sehr in schwarzhumorigen Übertreibungen ergeht, nimmt die Fassung von SJG das Thema ernst genug, um sowohl ironische als auch tiefgründigere Spielweisen zu ermöglichen. Ausser einem der der Einsteigerabenteuer habe ich es aber kaum geleitet, und nie selbst gespielt.
     
    Dennoch mag ich das Setting und seine Dreiteilung betreffend das Wesen der Schöpfung, aber auch der Regeln in Form von Attributen und anderem bis heute sehr und habe es erst vor einiger Zeit zu FATE konvertiert (inklusive eines, nun ja, Zusatzheftleins).



Die Blog-O-Quest
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  • Jeder Monat erhält ein Hauptthema, um das sich die Fragen drehen. In diesem März stammen diese von Timberwere.
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