2012, vor über zehn Jahren, habe ich auf diesem Blog zum ersten Mal über die Entwicklung von TriCard, einem reinen Kartenrollenspiel, berichtet. Nachdem viele Jahre unnütz mit Designblockaden verstrichen sind, glaube ich nun, erstmals eine vollständige Fassung vorlegen zu können.
Der Stand bis 2014
Um es kurz zusammenzufassen: Die grundsätzliche Idee von TriCard ist seit seiner ersten Version, die rein mechanischen Elemente eines Rollenspiels - Bonuseffekte, Zufallsergebnisse - über Karten abzubilden und die eigentliche Erzählung am Spieltisch dabei auszuklammern. Durch diese Reduktion auf Mechanik kam TriCard auch mit nur 27 verschiedenen Karten aus, aus denen sich ein Spieler 20 beliebig für seine Figur aussuchen kann, um die gewünschen Schwerpunkte zu setzen: 6 Fertigkeiten je 3 Effekte, 9 Kampfeffekte und 9 Zaubereffekte. Durch Schaden wurden dann diese Karten gegen separate Wundkarten ausgetauscht, damit der Kartenstapel weiterhin die gleiche Anzahl enthält. Und der Spieler erhält vorgefertigte Sets - ingesamt 3x5 je 6 Karten - um damit ohne großen Aufwand eigene Figuren auch spontan nach den gleichen Regeln zusammenstellen zu können.
Auf den ersten Blick einigermassen rund, aber leider doch noch mit etlichen Ecken und Kanten. Warum schaffe ich es nicht, bei den Fertigkeiten mit nur 9 Karten auszukommen, so wie bei Kampf und Zaubern? Brauche ich wirklich die separaten Wundkarten, die am Ende das Spielmaterial zusätzlich aufblähen? Und braucht der Spielleiter wirklich einen Grundstock von 90 Karten für seine Sets, die darüberhinaus bei einer Spielsitzung auch mehrfach vorliegen sollten? Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt zwar ein ordentliches Regeldokument begonnen hatte, kam ich bei diesen Fragen erst einmal nicht weiter, und so lag TriCard erst einmal lange Jahre auf Eis.
Nach langer Zeit: Die rettenden Ideen
Erst Ende 2019 kamen mir die richtigen Einfälle, um TriCard aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken. Dabei waren viele der Lösungen erschreckend einfach - und gerade die einfachen Lösungen brauchen bekanntlich am längsten.
Der Durchbruch begann mit den Fertigkeiten: Die bisherige Fassung hatte 6 explizit genannte Talente - z. B. Wissen, Athletik oder Umgang - die dann jeweils über drei verschiedene Karteneffekte verfügten. Indem ich die Karteneffekte beibehielt, aber ihren Bonus schlicht an eines der drei Attribute Körper, Geist oder Willen knüpfe, erhalte ich automatisch die gewünschte Anzahl von insgesamt 9 Karten für die Fertigkeiten.
Auch die Wundkarten wurden komplett gestrichen: Durch das verwendete Medium Spielkarte reicht der Kniff aus, diese in Zug- und Ablagestapel einfach umzudrehen, um eine Wunde anzuzeigen. Spielerisch der gleiche Effekt - das Deck behält die gleiche Größe, und die umgedrehte Karte signalisiert, dass Sie weder Zufallswerte noch einen Spieltext hat - aber signifikant weniger Material.
Die Sets für den Spielleiter strich ich in diesem Zuge auch noch einmal zusammen, so dass schließlich für Fertigkeiten, Kampf und Zauber 3 Sets je 6 Karten übrig blieben - immer noch eine Menge, aber auch bei mehrfacher Verwendung durch den Spielleiter wesentlich überschaubarer.
Insgesamt hat das den Nebeneffekt, dass TriCard sogar die Rahmenbedingungen für ein gedrucktes Produkt erfüllt: Die Spielerkarten passten je 4x auf eine Druckbogen von 120 Karten (die Größe beispielsweise einer Munchkin-Erweiterung), die Spielleiterkarten je 3x auf einen Bogen von 168 Karten (die Größe eines Munchkin-Basisspiels).
Nachdem diese Stolpersteine endlich aus dem Weg geräumt waren, machte ich mich daran, das Regeldokument sorgfältig auszuarbeiten. Ziel war es, im Frühjahr 2020 damit fertig zu werden - und dann kamen Pandemie, Homeschooling und inzwischen auch zahlreiche Projekte bei der Arbeit, die mir kaum noch Zeit für Spieldesign, inzwischen geschweige denn das Bloggen lassen, so dass ich erst drei Jahre später als geplant meine Ergebnisse veröffentliche
Zeit für die kleinsten Stellschrauben
Diese Zeit ist dann aber wenigstens in weitere Revisionen geflossen, die TriCard noch weiter verbessert haben: So konnte man in der Urfassung zwar durch Erfahrung die Zufallswerte seiner Karten verbessern, aber auf den Spieleffekt als Handkarte hatte das keinen Einfluss. Nun wird jede Karte durch die Nachbesserung auch nach und nach in ihrem Effekt stärker. Zudem habe ich immer wieder an den Effektformulierungen gefeilt, Redundanzen entfernt und fehlende Effekte ergänzt.
Die meiste Zeit ging aber für die Spielregeln drauf, die dafür aber einen ausführlichen Spieler- und Spielleiterteil enthalten, darüber hinaus aber auch ausführliche Anhänge mit Beispielcharakteren, Gegenspielern für den SL (im Stil der Monostichonmonster von d6ideas), Kurzregeln und Kartenlisten.
Kartenspieligkeit? Was sonst!
Nun mag man bei der Lektüre der Karten und Regeln kritisch anmerken, dass TriCard sich zu sehr wie ein gewöhnliches Kartenspiel spielt und mit Rollenspiel kaum etwas zu tun hat. Dazu behaupte ich: Das ist unvermeidlich! Wenn man die Idee eines Rollenspiels mit Karten konsequent durchdenkt und diese Medium mit seinen Möglichkeiten nutzen möchte, ist eine mehr oder minder große Kartenspieligkeit nicht zu umgehen. Dies gilt bei TriCard um so mehr, als dass die Karten wie bei Sammelkarten- und Gesellschaftsspielen rein mechanisch die Kompetenzen und Ressourcen einer Figur abbilden sollen und keinen Bezug zur eigentlichen Rollenspiel-Erzählung haben wollen - das Regelheft gibt ausführliche Beispiele zum von den Karten ausgehenden Impetus zum Erzählen, die ich hier nicht wiederholen möchte.
Schon bei den ersten Entwicklungsschritten von TriCard fiel die Anmerkung, ein Rollenspiel mit Karten müsse sich in seiner Funktion radikal reduzieren und primär als Stichwortgeber fungieren. Inzwischen glaube ich, dass die Idee dahinter die gleiche wie meine bei TriCard ist: Ein Kartenrollenspiel funktioniert entweder nur auf der erzählerischen oder nur auf der mechanischen Ebene und blendet die andere Seite aus - und ich habe mich eben für letztere Variante entschieden.
Wie nun weiter?
Nachdem TriCard für so lange Zeit eine reine Kopfgeburt (oder schlimmer noch: mein persönlicher Heartbreaker...?) gewesen ist, möchte ich es in der jetzigen Form auch ausführlich ausprobieren und freue mich auch über jeden, der anhand der verlinkten PDFe das gleiche Experiment wagt. Auch habe ich erste Ansätze, um das zweckmäßige, wennglich spröde Excel-Layout durch ein ordentliches mit individuellen Illustrationen zu ersetzen - allein, es fehlt die Zeit.
Zugleich überlege ich aber, ob ich das bewusst Genre-unabhängige TriCard nicht vielleicht sogar mit etwas Inhalt füllen soll. So wie d6ideas vor vielen Jahren eine Murmelwelt für das von mir sehr geschätzte Beutelschneider angekündigt hat, könnte ich ja für TriCard als Spielwiese gewissermassen eine, nun ja, Kartenwelt erschaffen. Hätte jemand daran Interesse?
Zuletzt: Die Downloads
TriCard Re-Redux SC-Karten (pdf 835 KB)
TriCard Re-Redux NSC-Karten (pdf 478 KB)
TriCard Regeln (pdf 920 KB)
TriCard Gegenspieler (pdf 711 KB)
Um TriCard ordentlich spielen zu können, empfehle ich, die SC-Karten je 4x zu drucken (damit lassen sich auch die fünf Beispielcharaktere aus den Regeln bauen), die NSC-Sets je 3x.
2 Kommentare:
Vor der Lektüre schon einmal auf jeden Fall herzlichen Glückwunsch zur Fertigstellung!
In Beutelschneider kommt gerade wieder auch ungeahnte Bewegung.
Vielen Dank! Wenngleich auch schon andere Leser gesagt haben, dass die Lektüre naturgemäß sehr abstrakt ist. Und die aktuelle Ideenschwemme im Disputorium habe ich mit großem Interesse mitbekommen.
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