[WinterOPC 2019] Pitzal

25.03.2020
Für die achte Ausgabe des Winter-One-Page-Contest von Greifenklaue und dem Würfelhelden war eines der drei Themen ausgerechnet „Sport“ – also etwas, mit dem ich so gar nichts am Hut habe. Erst nach langem Überlegen fiel mir dann aber eine Sportart, bei der es nicht einfach nur um Sieg oder Niederlage, sondern um Leben und Tod geht.


Überlegungen und Recherche
Bis zu diesem Gedanken war es aber ein weiter Weg. Ein erster Gedanke ging in die Richtung einer Fiasko-Kulisse über den American Football und die dramatischen Verhandlungen während des Draft, nachdem mir ein Arbeitskollege davon schon eine Menge erzählt hatte. Allerdings hatte ich da keine wirklich große Lust auf eine tiefergehende Recherche; und auch nach Fiasko war mir in diesem Jahr nicht wirklich.

Dann schoss mir – völlig willkürlich und ohne dass in diese Richtung geforscht hätte – das nur teilweise überlieferte Ballspiel der mesoamerikanischen Hochkulturen durch den Kopf, bei dem Spieler mitunter geopfert wurden, was diese sogar als große Ehre empfanden. Diese Umkehrung, dass die Sieger letztlich ihr Leben lassen müssen, empfand ich als reizvoll genug, um daraus einen Beitrag zu basteln.


Da die Spanier aber bekanntlich nach ihrer Ankunft in der neuen Welt fast alle Relikte der dortigen Kulturen getilgt haben, war die entsprechende Recherche schwerer als gedacht. Das historische Ballspiel wird als Pok-ta-Pok tatsächlich heute noch gespielt, aber Anlaufpunkte wie Wikipedia und der Atlas Obscura beschreiben tatsächlich mehrere Varianten. Zumindest stand so aber recht früh der Titel "Pitzal" meines Beitrags fest, der die Ballspieler selbst benennt. Erst weiterführende Links bargen Informationen über die Rolle des Adels, dem das Ballspiel vorbehalten war, und den Alltag der Maya. Der wichtigste Fund allerdings war eine Beschreibung der Religion, aus der ich so etwas wie Spielattribute ableiten konnte - denn von Anfang an schwebte mir etwas gänzlich Eigenständiges statt eine Adaption auf ein etabliertes System vor.


Wettkampf und Regeln
Gänzlich bei Null angefangen habe ich mit der Entwicklung allerdings nicht. Im Hinterkopf hatte ich noch, dass es vor vielen Jahren mit John Harpers Agon (inzwischen in der 2. Edition bei Evil Hat) ein Rollenspiel gegeben hat, in dem Helden eines mythischen Griechenland im Wettstreit um den meisten Ruhm gegeinander antreten. Zwar verfügt Agon nicht direkt über einen "Wettbewerbsmechanismus", weist aber den einzelnen Attributen, Fertigkeiten, Kampfvermögen und sogar dem Namen (also Ruhm) eines Helden Werte zwischen einem w4 und einem w8 zu. Für Proben wirft ein Spieler alle passenden Würfel und nimmt lediglich den höchsten Wert daraus, der dann verglichen wird mit dem Ergebnis einer Würfelkombination nach Schwierigkeit laut Spielleiter. Während mein Ansatz die Kombination von verschiedenen Würfeln und deren höchstes Ergebnis als Probenresultat gern übernahm, blieb ich auch kurz vor Fertigstellung bei dem Konzept eines Spielleiters. Erst spät wurde klar, dass es in einem Sportwettstreit kaum zu leiten gibt, so dass diese Rolle obsolet ist.

Wie oben bereits erwähnt, war der Schlüssel, das ganze auch in eine stimmige Form zu gießen, der Artikel über die Religion der Maya. Deren Glaube, die Knochen symbolisierten den Körper und der Atem den Geist, eignete sich perfekt für die beiden Hauptattribute. Die allseits bekannte Bedeutung des Bluts als Lebenssaft des Universums sollte als eine Art "Gummipunkt" herhalten, das man freiwillig für den Bonus dessen Würfel opfern kann. Mir vor meiner Recherche gänzlich unbekannt war, dass die Maya daran glaubten, dass einem Körper mehrere Schatten (vulgo: Seelen) innewohnen, so auch die von beschützenden Tiergeistern. Diese Option eignete sich für einen situationsbedingten Würfelbonus, wenn man entsprechend der Stärke eines Schutzgeistes handelt.


Eine weitere große Hürde war das Spielgeschehen selbst. Im Kern von Pitzal steht immer noch ein einfaches Ballspiel, das nicht sehr viel Raum zum Rollenspiel anbietet - auch wenn dahinter wichtige Entscheidungen wie religiöse Rituale, Landübernahme von verfeindeten Stadtstaaten oder Erbstreitereien stehen. Um diese Möglichkeiten etwas auszuweiten, habe ich schließlich eine Vorrunde eingeführt, in der der anstehende Konflikt von den Ballspielern zunächst diskutiert wird, um sich argumentativ einen Vorteil zu verschaffen. Um daraus auch Konsequenzen für das eigentliche Ballspiel abzuleiten, bestimmt die Anzahl der Argumentationsrunden, die eine Seite für sich entschieden hat, die Anzahl der Tore, die der Gegner im Anschluss erzielen muss.
Um das Ballspiel dann einigermaßen kohärent in den Würfelmechanismus einzubinden, habe ich nach Inspiration abseits etablierter Rollenspiele gesucht. Fündig wurde ich bei dem Kartenspiel Powershot Fußball von Pegasus, das zur WM 2006 aus produktionstechnischen Gründen viel zu spät erschien, um auf dem Markt noch einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Im Kern spielt man hier sukzessiv Angriffskarten mit aufsteigendem Wert, um den Ansturm aufs Tor zu simulieren, wenn nicht eine gegnerische Defensivkarte mit höherem Wert dazwischenkommt. Diese Idee habe ich dann schlicht übernommen für die stets steigenden Würfelergebnisse, die die Pitzal beim gegenseitigen Anspielen erreichen müssen.

Im Nachgang führte dies auch dazu, dass ich den gesamten Text des Beitrags vor der Einreichung noch mehrmals umstrukturiert und -formuliert habe. Ursprünglich waren die Regelansätze Würfeln-und-Vergleichen sowie Höher-Würfeln-Als-Dein-Vorspieler noch jeder für sich separat erklärt an der Stelle, wo diese im Spielablauf relevant waren. In der Endfassung ist der generelle Mechanismus Höchster-Wert-aller-verwendeten-Würfel zentral zu Beginn erklärt als "sich beweisen", um dann an den relevanten Stellen durch die Notwendigkeit zum direkten Vergleich oder Übertreffen spezifiziert wurde. Ebenfalls erst ganz zum Schluß erst ist die endgültige Umsetzung des finalen Blutopfers entstanden: Dass die Sieger des Ballspiels würden ihr Leben lassen müssen, war mir von Anfang an klar, doch erst spät kam mir die Idee, dass sich die Unterlegenen dadurch verbessern - bis sie irgendwann selbst gut genug und würdig genug sind, selbst geopfert zu werden.




Ein Fazit
Zu meiner großen Überraschung hat es Pitzal  auf Platz 1 der Kategorie „Sport“ geschafft – danke an die Jury für ihren Zuspruch! Dabei habe ich selber von meinen Beiträgen die Maya für den abseitigsten gehalten. Immerhin muss stets mindestens eine Figur durch das Zwangsopfer zum Ende einer Sitzung sterben, zum anderen ist der Handlungsspielraum sehr eingeschränkt, umfasst er doch nur einige Streitgespräche und das eigentlich Ballspiel. Andererseits reiht sich Pitzal aber auch sehr gut unter den Preisträgern des 2019er WOPC ein: alle drei Erstplatzierte sind eigenständige Erzählrollenspiele.


Zuletzt: Der Download

Pitzal - ein Erzählspiel (pdf 861 KB)

Meine anderen Beiträge zum 8. Winter-OPC
Schwarze Schafe – ein Szenario für Fate (Kategorie "Cyberrunner")
Laubgeschichten - ein Erzählrollenspiel (Kategorie "Herbst")


Bildquellen

"Pok-ta-pok Ballgame" via Wikimedia Commons
"Pelotaspieler" via Wikimedia Commons
"Codex Borbonicus Seite 27" via Wikimedia Commons

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen