Ankh-Morpork ist in Aufruhr! Was als der vereinzelte, aber lautstarke Zorn einzelner Frauen über die Sauftouren ihrer Ehemänner begann, hat sich zu einer schlagkräftigen Protestbewegung entwickelt, die ein allgemeines Alkoholverbot fordert. Beide Seiten der Debatte geraten regelmäßig aneinander, während alle auf eine Entscheidun des Patriziers warten. Derweil liegt es an der Nachtwache, tagtäglich inmitten der erhitzten Gemüter für Ruhe zu sorgen.
Eine Geschichte der Nachtwache
Die Scheibenweltromane bewegen sich stets innerhalb bestimmter Gruppierungen - so auch dieses Szenario. Hier sollten die Spieler allesamt Mitglieder der Nachtwache von Ankh-Morpork verkörpern, die inmitten der Unruhen für Ordnung sorgen müssen und zugleich nach und nach einigen Ungereimtheiten nachspüren können.
Eine Zauberertruppe oder Investigativreporter der Ankh Morpork Times sind zwar auch denkbar, um zumindest den wahren Kern der Geschichte aufzudecken; für diese werden aber diverse Szenen nicht in Frage kommen.
Die eine Seite: Die Suff-Ragetten
Von den Alkohol-Befürwortern abschätzig Suff-Ragetten bezeichnet (ob des rasenden Zorns, den sie ihren besoffenen Ehemännern entgegenbringen), tragen die Frauen diesen Titel inzwischen voller Stolz. Lady Sybil Käsedick, die Ehefrau von Kommandeur Mumm, hat sich erstaunlich schnell in die Forderungen der Suff-Ragetten eingebunden und die hitzige Diskussion so vom einfachen Pöbel bis in die höchsten Adelskreise getragen. Zudem nutzt sie dezent ihr beträchtliches Vermögen, um den Suff-Ragetten unter die Arme zu greifen. Ihre Ehe scheint das zunehmend zu belasten, da Samuel gerade mit diesem Thema nicht behelligt werden möchte.
Die andere Seite: Die Pro-Bäritionisten
Aus anfänglichen Querelen zwischen Kommandeur Samuel Mumm und seiner Frau Sybil werden im Laufe der Zeit handfeste, öffentlich zelebrierte Zankereien. Mumm, selbst trockener Trunkenbold, pocht auf das Recht eines jeden einzelnen zur Selbstbeherrschung. Seine halbe Flasche Jimkin Bärdrücker, den er als stete Ermahnung in seinem Schreibtisch aufbewahrt, ist dabei zum Symbol derjenigen geworden, die sich den Alkoholgenuß nicht verbieten lassen wollen - natürlich, erm, in Maßen. Entsprechend nennt sich die Gruppe, die sich bezeichnender fast nur aus Männern zusammensetzt, auch die Pro-Bäritionisten.
Prominenteste Gegner des geforderten Alkoholverbots sind zudem Erzkanzler Mustrum Ridcully sowie der Hohepriester des Blinden Io Hughnon Ridcully. Während der Klerikale sich auf althergebrachte Riten und die Bedeutung des Messweins bezieht, belässt es der Kanzler meist nur bei ominösen Warnungen, dass die Stadt kein Interesse an nüchternen Zauberern haben kann. Um so irritierter sind seine Kollegen der Unsichtbaren Universität, wo der Kanzler doch selbst keinen Alkohol anrührt...
Verhandlungen mit dem Patrizier
Nachdem die Suff-Ragetten mit Lady Sybil eine starke Fürsprecherin gefunden haben und sich sogar der Hochadel in die Diskussion einmischt, sieht sich der Patrizier gezwungen einzugreifen. Temporär gibt Vetinari den Forderungen nach dem Alkoholverbot nach, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Allerdings bietet er auch Verhandlungen an, um mit allen Parteien zu einer Einigung zu kommen.
Obwohl die Gespräche hinter den verschlossenen Türen des Patrizierpalastes stattfinden, werden die später durchgestochenen Inhalte kontrovers in der Zeitung besprochen. Auch der Rest der Scheibenwelt hört zu, da die Ergebnisse jeder Sitzung in alle Gegenden verschickt werden.
Es zeigt sich aber gerade in den ersten Gesprächen, dass die Suff-Ragetten und ihre Gegner zunächst unnachgiebig auf ihren Standpunkten beharren und ein Kompromiss noch weit ist.
Die Wache im Einsatz
Durch das zunächst verhängte Alkoholverbot und die daraus resultierende aufgeheizte Stimmung in der Stadt müssen die Wächter immer wieder zu den unterschiedlichsten Zwecken ausrücken.
- Sowohl Suff-Ragetten als auch Pro-Bäritionisten veranstalten fast täglich Kundgebungen auf den großen Plätzen der Stadt. Der eigentlich recht geruhsame Dienst, die Veranstalter ungestört reden zu lassen, endet oft schlagartig, sobald die lauthals krakeelende Gegenseite sich dazugesellt.
- Regelmäßig kommt es zu Auseinandersetzungen mit renitenten Trunkenbolden, die das Alkoholverbot umgehen und sich wankend mit der gesamten Wache anlegen wollen. Die Ausnüchterungszellen sind mitunter hoffnungslos überfüllt, oft mit immer den selben Personen.
- Die wie Pilze aus dem Boden schießenden Flüsterkneipen und Schwarzbrennereien der Stadt sind ein offenes Geheimnis. Oftmals schließt ein Laden nach dem ersten Kontrollbesuch der Wache wieder, um in der folgenden Nacht an einem anderen Ort wieder zu eröffnen - zumeist mit dem selben Namen und dem selben Personal.
- Hintertrieben werden die Versuche der Wächter, den Schwarzmarkt für Alkohol auszuheben, von den beständigen Versuchen der Nellie Klarwasser, Oberhaupt der Wirtshausgilde, die Flüsterkneipen in ihre Organisation zu pressen. Gesetz mag Gesetz sein, aber Profit ist Profit, und der steht zu 15 Prozent der Gilde zu!
- Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin-Schnapper verlagert sich darauf, alkoholische Hotdogs zu verkaufen, auf die zumeist aber nur ausländische Berichterstatter hereinfallen, die sich dann lauthals beim nächsten Wächter beschweren.
- Die renommierte Brennerei Jimkin Bärdrücker hat die Produktion von Whiskey eingestellt und verkauft nun medizinisches Desinfektionsmittel. Kontrollbesuche der Wache enden oft in erschöpfenden Diskussionen um Papierkram und Wortklauberei seitens der Brenner, entschuldigung, Medizinfabrikanten.
- Nicht einmal die Kneipe Geflickte Trommel als üblicher Treffpunkt der Wächter bietet mehr die übliche Erholung. Tatsächlich stellt sich bald heraus, dass diese viel mehr als Wellness Oase verdient als als Kneipe.
Die Wache, gespalten
Auch wenn es erst einmal die Pflicht der Wächter ist, in den erhitzen Konflikten der unversöhnlichen Seiten für Ruhe zu sorgen, so geht die grundsätzliche Diskussion des Alkoholverbots an der Wache nicht spurlos vorbei. Kommandeur Mumm lässt sich im Laufe der Ereignisse kaum sehen, so dass Hauptmann Karotte Eisengießersohn noch mehr Verantwortung obliegt als sonst. Er selbst will das neue Gesetz umgesetzt sehen, denn ein Gesetz ist schließlich ein Gesetz. Ähnlich sieht es Feldwebel Grinsi Kleinpo, auch wenn sie als Zwergin moralisch fest auf der Seite des Kommandeurs und der Pflicht zur Selbstbeherrschung steht. Feldwebel Frederick Colon hinterfragt hinter vorgehaltener Hand, ob dieses Gesetz denn überhaupt eine gute Idee gewesen ist; und selbst Feldwebel Detritus, als Troll eher ein langsamer Denker, beginnt wegen der fortschreitenden Proteste auf den Straßen an dem Alkoholverbot zu zweifeln.
Die Spieler müssen selbst entscheiden, welche Position ihre Wächter einnehmen. In ihrer Position sind sie der Stadt und dem Gesetz verpflichtet, aber ist es eben auch ein gutes Gesetz? So können die zermürbenden täglichen Einsätze noch dadurch erschwert werden, dass unter den Wächtern mehr oder weniger offener Streit ausbricht.
Etwas ist faul im Staate Ankh-Morpork...
So dogmatisch in den Verhandlungen im Patrizierplast auch argumentiert, in der Realität scheint es anders zuzugehen. Schnell sollte den Wächtern bei ihren unzähligen Kontrollen auffallen, dass inmitten der Unruhen so einiges unstimmig ist: So sind zahlreiche der Suff-Ragetten selbst Kunden, in einigen wenigen Fällen sogar Besitzer der Flüsterkneipen.
Kommandeur Samuel Mumm hält sich während der hitzigen Debatten, die publikumswirksam auch zwischen ihm seiner Frau Lady Sybil ausgetragen werden, auffällig fern von der Wache und seinen üblichen Pflichten. Bekommt man ihn mal doch wieder zu Gesicht, so ist er trotz der Anspannung, die er öffentlich zur Schau stellt, erstaunlich gelassen.
Sollten die Wächter in ihrem möglichen Misstrauen versuchen, bei ihrem Kommandeur selbst einmal genauer nachzusehen, so müssen diese erst einmal an Butler Willikins vorbei, der sowohl öffentliche und erst recht heimliche Besuche ausgesprochen höflich, aber bestimmt abweisen wird - zur Not sogar mit einer eleganten Tracht Prügel.
Allerdings bergen die Unterlagen in Mumms Anwesen gehörigen politischen Sprengstoff: Tatsächlich nutzt Lady Sybil ihre umfangreichen Ressourcen zur Finanzierung beider Seiten, da sie aber offiziell ihr Vermögen an Sam Mumm abgetreten hat, ist in entsprechenden Belegen und Korrespondenzen der Name ihres Gatten angegeben.
Alternativ können die Wächter auch heimlich die Verhandlungen belauschen, sollten sie zur Bewachung des Patrizierpalastes abgestellt werden. Statt des hitzigen Tons, von dem die Zeitungen und Klacker stets berichten, ist die Stimmung während der Sitzungen erstaunlich ruhig, gelöst und fast sogar heiter. Wächter, die sich daraufhin aufmerksam an die Verhandlungsteilnehmer heften, sollten so langsam eine Ahnung davon bekommen, welches Spiel hier wirklich gespielt wird.
Zuletzt gibt es auch die Möglichkeit, sich in zivil unter die Zecher in den Flüsterkneipen zu begeben. Bei fortgeschrittener Stunde sollte man auch auch aus den hartnäckigsten Suff-Ragetten oder Pro-Bäritionisten so einiges herauskitzeln können.
Was eigentlich hinter den Kulissen passiert
Begonnen hat das ganze in kleinem Kreise, als die Frauen eine bessere Repräsentation in der Stadt forderten - unsereins würde "Frauenwahlrecht" dazu sagen, obwohl das kein Pendant hat, weil es keine Wahlen gibt. Der Patrizier schlug daraufhin vorausschauend vor, mit einem möglichst kontroversen Thema die neue Frauenbewegung ins Lben zu rufen und dieser ein möglichst kontroverses Thema an die Hand zu geben, von dem sich "weg verhandeln" liesse. Vetinaris Motivation dabei ist, einer echten Bürgerrechtsbewegung zuvorzukommen und den Frauen dennoch das Gefühl eines erreichten Ziels zu geben.
In den Verhandlungen arbeiten ale Parteien daraufhin, das neue repräsentative Amt für die Frauen der Geheimrätin zu schaffen; in Absprache mit dem Patrizier und ausgestaltet im Konsens mit den Zauberern und dem Klerus. Vetinari gefällt dabei insgeheim die Doppeldeutigkeit, mit der dieser Titel für alle offen klarstellt, wie diese Position im Geheimen von einem gemeinsamen Rat erdacht wurde.
Ein Vorschlag für das neu geschaffene Amt der Geheimrätin ist die Leiterin der Golem-Stiftung Adora Belle Liebherz, nachdem Lady Käsedick dankend abgelehnt hat und sämtliche Titel nur bei ihrem Mann wissen will. Sollte sich während der Ermittlungen eine von einem Spieler dargestellte Wächterin als besonders kompetent oder gerissen erweisen, ist Vetinari auch gerne bereit, dieser den Posten zu verleihen. Schließlich hasst er es, Talente ungenutzt verkümmern zu lassen.
Nebenfiguren
Das offizielle Rollenspiel zur Scheibenwelt ist das vor einigen Jahren erschienene Gurps Discworld 2e. Die Spielwerte der bekannten Romanfiguren sind in dem Band auf den Seiten 305 bis 328 beschrieben; weitere wichtige Figuren des Szenarios sind folgende:
Roswitha Dochtendreh, erboste Ehefrau
Die unscheinbare, aber resolute Roswitha ist von der kaum beachteten Frau eines Kerzengießers in kürzester Zeit zu einer der wortgewaltigsten Suff-Ragetten aufgestiegen, der die halbe Stadt folgt. Insgeheim ist Roswitha die ganze Aufmerksamkeit unangenehm; und in den seltenen Momenten, wenn sie einmal für sich ist, nimmt sie auch gerne einen Schluck aus der kleinen Schnappsflasche in ihrer Schürze, um ihre Nerven zu beruhigen.
Clarence, Roswithas schmächtiger Ehemann, steht voll hinter seiner Frau und ihren Forderungen; ist aber meist zu verkatert, um in den hitzigen Diskussionen einen wertvollen Beitrag leisten zu können.
Spielwerte: Vorlage Peasant, S. 126
Rummsni Meißelfinger, zwergischer Querulant
Der drahtige Zwerg ist einer der heftigsten Wortführer gegen das verhängte Alkoholverbot. Wenn auch sehr engagiert, verzettelt er sich doch sehr schnell in seiner Argumentation und lässt dann lieber die Fäuste sprechen. Unter den Wachleuten ist Rummsni schon seit geraumer Zeit als unbelehrbarer Hitzkopf bekannt, dem eigentlich jeder Vorwand recht ist, um eine Prügelei anzufangen.
Spielwerte: Vorlage Ruffian, S. 127 plus Vorlage Dwarf, S. 100
Nellie Klarwasser, Meisterin der Wirtshausgilde
Hinter den schmalen Gesichtszügen und dem stillen Gehabe von Nellie verbirgt sich ein eiserner Willen. Mit dem führt sie nicht nur erfolgreich ihr eigenes Wirtshaus, den Tönernen Topf, sondern hat sich auch an die Spitze der Wirtshausgilde emporgekämpft. Die Flüsterkneipen sind ihr ein Dorn im Auge, da diese ihre Gilde umgehen und sich die Profite selbst einstreichen. So schickt sie gezielt Störenfriede in die beliebteren Häuser, um Druck auf die Flüsterwirte auszuüben und diese in die Gilde zu pressen. Die Verhandlungen finden zumeist vor aller Augen - wenn man sich denn bequemt, hinzusehen - auf ihrem eigenen Territorium im Tönernen Topf statt; nur wirklich ernstzunehmenden Konkurrenten stattet sie auch einmal einen Höflichkeitsbesuch ab.
Spielwerte: Vorlage Merchant, S. 124
Schotter, trollischer Handlanger
Der hünenhafte Troll ist schon von so manchem mit einem kleinen Berg verwechselt worden, so stattlich und muskulös ist er. Schotter, der selbst für einen Troll äußerst begriffstutzig ist, wird von den Betreibern der Schwarzbrennereien und Flüsterkneipen gerne als Laufbursche eingesetzt, um frische Zutaten, neuen Alkohol oder den Inhalt der Abendkasse an das gewünschte Ziel zu bringen. Da er es mit Gesichtern nicht so hat, ist er in Verhören kaum zu gebrauchen und weiß selten mehr anzugeben als sein aktuelles Ziel.
Spielwerte: Vorlage Hick Troll, S. 135
Dieser Artikel ist ein Beitrag zum Karneval der Rollenspielblogs im September 2020 mit dem Thema "Halt, Polizei!". Die Moderation liegt bei Dnalor, alle Beiträge des Monats werden zudem in diesem Thread des Forums der Rollenspielblogs aufgelistet.
Besonderer Dank geht erneut an meinen Rollenspielkumpan aus längst vergangenen Gymnasiumszeiten Fred T., der meinen eher mauen Vorstellungen zu einem Wachen-Szenario auf der Scheibenwelt diese wunderbare Idee zur Prohibition entgegengesetzt hat. Ich habe seine Notizen nur noch ein wenig ausformuliert und hier und da ergänzt.
Bildquellen
Ankh-Morpork aus der Discworld App via appgefahren.de
Samuel Vimes & Lord Vetinari von Paul Kidby via LSpace
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